Eigenheim vs. Miete – Fragen zu konkretem Rechenbespiel

  • Liebe Community,


    bisher kam ich immer gut „allein“ klar, hielt mich für finanziell gebildet und war aktiver Mitleser im Forum.


    Jetzt bitte ich aber um eine Einschätzung, um mich evtl. vor Dummheiten zu bewahren bzw. mir zumindest über Fehler bzw. über Risiken meines Denkmodells klar zu werden zu einem Thema der Immobilien- / Eigenheimfinanzierung.



    Meine Fragen:


    • Was haltet ihr von der Logik und welche Logik und Rechenfehler fallen euch auf?
    • Welches seht ihr als größten Risiken / Sensitivitäten, die ich noch einbeziehen sollte?
    • Welche Annahmen haltet ihr für „wild“ oder würdet ihr besser verstehen wollen?

      • Haut das Thema Inflation da noch rein? Das hab ich noch nicht so richtig verstanden, wo ich das reinrechnen muss und wo nicht
    • Seht ihr das Vorhaben als „hochspekulativ“ an?

    Kontext:

    • Wohnung zu klein, Familie muss umziehen – Frage: Kaufen oder mieten
    • Den unreflektierten „Kaufen-Bias“ habe ich mir mithilfe von Kommers Buch „Kaufen oder Mieten?“ ausgehämmert
    • Folgender Gedanke blieb aber hängen: Bei günstigen Zinsen kann man seine Kreditwürdigkeit durch Aufnahme eines Immobilienkredits nutzen (so weit, so unkonkret)
    • Bei den absoluten Beträgen, die für Immobilien aufgerufen werden, bekomme ich grds. erstmal Schnappatmung (Region Hamburg …), v.a., wenn ich es mit „vor 5 Jahren“ vergleiche – das hilft mir aber nichts
    • Familieneinkommen brutto 100.000 EUR (2x Angestellte in privaten Großunternehmen)
    • Bisheriges Vermögen Mix ETF/Tagesgeld ca 150k
    • Jetzt möchte ich einen möglichen Immobilienkauf zur Selbstnutzung mal durchrechnen, um ihn mit einer Miete zu vergleichen und um ihn zu verstehen

    Konkreter Fall. Zahlen sind alle finanzwesirmäßig gerundet:

    • Kaufpreis: 780.000 EUR
    • Nebenkosten: 50.000 EUR (Annahme: kein Makler zu zahlen)
    • Eigenkapital: „so wenig wie möglich“ – also 10% = 83k
    • Annahme für Immokreditzinsen: wie bei ING („Diba“) auf der Website mit 90% Beleihungsauslauf
    • Zu betrachtender Zeithorizont: 15 Jahre („Dann verkauf ich wieder“ bzw. einfach, um etwas zu rechnen)
    • Ziel: „Welche monatliche Belastung muss ich auf mich nehmen, um nach 15 Jahren wieder so da zu stehen wie ohne Hauskauf (also als hätte ich gemietet)

    Berechnung:

    • Annahme Hauswert nach 15 Jahren: -2% Abnutzung pro Jahr, Wertsteigerung +0,5% Marktpreisentwicklung pro Jahr („ich glaube nicht, dass die Steigerungen so weitergehen wie die letzten Jahre“) à Wert nach 15 Jahren: 780k * (100%-2%+0,5%)^15 = 625k
    • Um nach 15 Jahren noch diese Restschuld zu haben (also nach 15 Jahren „nichts abbezahlt zu haben“), ist die mtl. Rate bei ING 1200 EUR.
    • Opportunitätskosten des EK-Einsatzes i. H. v. 83k werden durch monatlichen Sparplan (ETF/TG-Mix) ausgeglichen
    • Renditeerwartung meines EK: 4% à nach 15 Jahren wäre es 83k * (1 + 4%)^15 wert
    • Erwartete Rendite des Sparplans: 3% - wegen Sequence-of-Return-Risks mit kleinem (?) Abschlag ggü. EK-Rendite gerechnet
    • Benötigter Sparplan für 150k nach 15 Jahren mtl. Einzahlung: 660 EUR mtl.
    • D.h. meine monatliche Belastung (ohne Wohnnebenkosten) wäre also: 1200 + 660 EUR, also ca. 1900 EUR – diese würde ich mit einer möglichen Nettokaltmiete vergleichen.



    Vielen Dank schon mal im Voraus – ich weiß: langer Beitrag, aber vielleicht hat ja der eine oder andere Lust, sich da mal reinzudenken

  • Ich finde den Ansatz im Grundsatz rechnerisch nicht schlecht und Deine Gedanken sehr gut. Meine Anmerkungen;


    Die Wertentwicklung mit -1,5% halte ich für zu pessimistisch, da ich den Werteverfall nicht so hoch sehe. Richtigerweise müsste man dann aber im monatlichen / jährlichen Budget einen Instandhaltungssatz einrechnen. Dazu hatten wir hier schon mal eine Diskussion, in der die 2% allgemein als zu hoch angesehen wurden.


    Die 150K Sparplan reflektieren die kalkulatorische Verzinsung des EK (83 T€) + NK (50 T€) ?


    Ist bei der Tilgung ein Fehler drin? Über den FMH-Rechner bekomme ich bei 1 % Tilgung rund 1.350€ € p.m., dann ist die Restschuld nach 15 Jahren 555 T€, + 83T€ EK-Anteil kommt man dann in die Größenordnung Deiner Zielmarke.

  • Super @Kater.Ka, danke für die Einschätzung, vor allem zur Bestätigung der grundsätzlichen Gedankengänge.


    - die 150k Sparplan sind nur das EK (83k) verzinst auf 15 Jahre, sollte aber wohl angepasst werden, s. nächster Punkt.
    - für die Tilgung. Vereinfacht waren es 780k Kaufpreis + 50k NK - und von der Summe 10%. Aber ich glaube, es sollten 10% von 780k sein (darauf rechnen ja die Banken den Beleihungsauslauf, wenn ich es richtig sehe) + NK --> also 50+78= 130k EK, entsprechend knapp 50k niedrigerer Kreditbetrag --> ich schmeiß die Maschine nochmal an mit den aktualisierten Zahlen, Danke für den Hinweis!


    Für mich ist es einfach notwendig, "so große" Zahlen runterzubrechen, was das dann effektiv pro Monat heißt, sonst wird mir schwindelig 8| Eine monatliche Belastung von <2000 EUR (mit Upside einer möglichen Kaufpreissteigerung) ist weniger angsteinflößend als hohe dreistellige Tausenderbeträge...

  • Zum letzten Punkt: Habe das beim Schreiben mit meiner guten Ehefrau diskutiert und wir würden es nicht machen. Die Verschuldung ist im Vergleich zum Bruttoeinkommen sehr hoch und Ihr habt ja auch Kinder wie wir, das wäre uns zu heikel. Es bleibt ja das Restrisiko der Nicht-Vermarktbarkeit nach 15 Jahren mit eventueller Verlängerung der Finanzierung zu schlechten Konditionen.


    Wir haben es für uns vor 12 Jahren so gelöst, dass wir weiter raus gezogen sind und wir eine 25 Jahre alte Immobilie gekauft haben, deren Design, Raumzuschnitt, höhere Heizkosten etc. wir eben akzeptiert haben. Ab und an schimpfe ich darüber, dass ich für Bibliothek, Elektromarkt, ... ins Tal fahren muss und auch die Kinder eben mit dem Schulbus länger unterwegs sind. Auf der anderen Seite machen Leute von der Küste hier Urlaub ;)

  • Die wichtigsten Faktoren sind m.E.:


    - wie lange brauche ich welchen Wohnbedarf? (unterstellt: konstant)
    - wie alt bin ich?
    - wie hoch wäre eine Miete?
    - was wäre ich bereit für Eigentum zusätzlich zu zahlen?


    Wenn ich noch 40 Jahre statistisch lebe und
    1.500 EUR Miete zu zahlen wäre und
    ich 300 EUR für Eigentum als Zuschlag zu zahlen bereit bin, dann
    sind 40 x 12 x (1.500+300) = 864.000 EUR Break-Even für einen Kauf.


    Zinsen sind ja quasi abgeschafft.


    P.S. bis auf einen Notgroschen gehört das Eigenkapital schon in die Finanzierung, weil der Beleihungsauslauf positiv beeinflusst wird.

    Denken ist die schwerste Arbeit, die es gibt. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum sich so wenig Leute damit beschäftigen. Henry Ford