Rente mit 63: Sind Sonderzahlungen in Rentenversicherung überhaupt sinnvoll?

  • Hallo Community,


    ich bin jetzt 54 Jahre alt und will mit 63, spätestens mit 64 Jahren in Rente gehen.


    Die Deutsche Rentenversicherung hat mir kürzlich bescheinigt, dass ich ca 25.000 Euro nachzahlen müsste, um die dann entstehende Rentenminderung auszugleichen.


    Dies könnte ich nächstes Jahr machen, um dann in 9 oder 10 Jahren meine volle Rente zu beziehen.


    Jetzt aber meine Frage: Ist es überhaupt sinnvoll, diese Sonderzahlungen zu leisten?


    Ist es vielleicht nicht besser, das Geld z. B. In ETFs zu investieren und dann lieber bei der monatlichen Rente die Abschläge in Kauf zu nehmen, aber dafür über mehr Eigenkapital zu verfügen, das ich dann ab Rentenbeginn monatlich zum Ausgleich der Lücke verwenden kann?


    Denn das Rentenniveau wird vermutlich weiter sinken in den nächsten Jahren bzw. Jahrzehnten und dann wären m. E. die 25.000 Euro quasi ein Verlustbringer statt ein Gewinnbringer.


    Wie seht ihr das? Was spricht aus eurer Sicht für Sonderzahlungen in die Rentenkasse und was dagegen?


    Tausend Dank jetzt schon mal für eure Ideen, Tipps und kritischen Anmerkungen!!





    PS: Noch ein paar Zusatzinfos zum Stand meiner Altersvorsorge:


    Eine Riesterrente habe ich bereits stilllegen lassen. Das dafür ursprünglich vorgesehene Geld investiere ich bereits in ETFs.


    Eine private Rentenversicherung sowie eine Lebensversicherung lasse ich gerade von der Verbraucherzentrale Hamburg auf Rechtmäßigkeit prüfen. Sollte ich beide oder eine davon vollständig zurückfordern können, werde ich das machen - wenn nicht, lasse ich die andere oder auch beide stilllegen. Auch die Gelder für diese beiden Anlagen investiere ich in ETFs.

  • Hallo.


    Nun, ich würde es so ausdrücken:


    Die Einzahlungen in die Rentenversicherung sind absolut sinnvoll, definitiv sinnvoller als Versicherungsllsungen oder das Sparbuch. Diese Einschätzung meinerseits gilt hinsichrlich der rein wirtschaftlichen Betrachtung, d. h. die allermeisten Menschen werden, wenn sie diese Einzahlungen vornehmen, die Rente hinterher ausreichend lange beziehen, um ihre Einzahlungen verzinst wieder herauszubekommen.
    Ob sich jeder Menschenschlag mit erhöhter Rente, aber reduzierten oder aufgelösten Rücklagen wohler fühlt, als derjenige, der eine niedrigere laufende Rente, dafür aber ein vernünftiges Kapitalpolster hat, wäre eine etwas andere Betrachtung.


    Wenn man ETFs für sich als geeignetes Anlagevehikel entdeckt hat, dann können diese durchaus sinnvoller sein, als die Sondereinzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung. Insbesondere wenn Vererbung ein Bestandteil der Überlegungen ist, kann das der bessere Weg sein.


    ETFs passen nicht zu jeder Person oder Situation, ebenso wenig sind die Sondereinzahlungen die Lösung, die alle glücklich macht.


    Jeder Jeck ist anders. :D

  • Noch ein Zusatz:


    Das Rentenniveau hat mit der Renditebetrachtung der Sondereinzahlungen herzlich wenig zu tun. (Aber das ist eine Diskussion, die eher in die Gesprächsecke gehört.)


    Das Rentenniveau ist ohnehin ein Thema für Volkswirte und Leute mit zuviel Tagesfreizeit, denen sonst im Kaffeehaus der Diskussionsstoff ausgeht. ;)

  • Hallo GoldGaleone,


    die 25.000 Euro klingen heftig, wenn Du siehst dass es dafür nur relativ wenige Euro mehr monatlich geben wird. Von vielen die sich näher damit beschäftigt haben wird die Anlage dennoch als sinnvoll angesehen.


    Wenn Du das Angebot der Rentenversicherung mit Angeboten für Leibrenten von privaten Versicherern für eine lebenslange Rente mit Inflationsausgleich und Hinterbliebenenversorgung vergleichst wirst Du feststellen, dass die Konditionen gar nicht so übel sind. Die Rentenpunkte, die Du heute kaufst, werden mit jeder allgemeinen Rentenerhöhung mehr wert. Dieses System gibt es sonst so nicht. Überhaupt hat das Umlagesystem der Rente den Charme, dass es anders als alle kapitalgedeckten Systeme nicht direkt vom Kapitalmarkt abhängt. Du kannst die Beiträge von der Steuer absetzen (dazu die Einzahlungen auf mehrere Jahre verteilen). Aber bevor ich zu sehr ins Schwärmen gerate...


    Wird eine Investition in kostengünstige weltweit investierende Aktien-ETF über Deine Lebenszeit eine bessere Rendite bringen als die Sonderzahlungen? Wahrscheinlich. Wenn Du zum Renteneintritt mit 63 nicht den Aktienbestand komplett verkaufst (wie man es früher oft empfohlen hat) sondern weiter laufen lässt wird es eine Zeitspanne, über die bisher nie ein Verlust entstanden ist. In den meisten Fällen gab es ordentliche Wertzuwächse, die über Rentensteigerungen deutlich hinausgingen. Und Du bist flexibler: Bei der gesetzlichen Rente ist das Geld "weg", den ETF-Bestand kannst du jederzeit anknabbern. Beides kann man als Vorteil auslegen...


    Ohne Deine Situation genauer zu kennen wage ich mal eine Empfehlung: Wenn Du noch gar kein oder nur wenig Geld in Aktien ETF hast, dann fange damit an. Wenn du schon einen ordentlichen ETF-Bestand hast und für den sicheren Teil der Geldanlage eine Alternative zu Tagesgeld und Co suchst, ist die Einzahlung Rente eine gute Alternative. Wenn Deine gesetzliche Rente heute Deine monatlichen Basis-Ausgaben nicht decken würde, würde ich zumindest so viel in die Rente zusätzlich zahlen, bis das erreicht ist. Dann kannst Du die ETF für "Luxus" verwenden und wenn die ETF gerade nicht so laufen fällt der Luxus eben etwas kleiner aus. Und Du kannst auch kombinieren: Mit einer Zusatzzahlung von jährlich 1500 oder 2000 Euro beginnen und später steigern. Oder es bleiben lassen und vorzeitig aussteigen. Oder doch weiterarbeiten bis 67 und noch mehr Rente bekommen. In dem Punkt ist das Rentensystem erstaunlich flexibel.


    Viele Grüße
    Guido

  • Also etwas Zahlenwerk dazu:


    Ein Entgeltpunkt entspricht heute 34,19 Euro und "kostet" bei Zahlung in 2020 7542,49 Euro (40.551 Euro ×18,6%).


    Daher bringt die Einzahlung von 25.000 Euro 3,3145 Entgeltpunkte, die aktuell 113,32 Euro wert sind.


    Von den 25.000 Euro kann man bis zu 90% steuerlich geltend machen, somit könnte das Finanzamt (bei entsprechendem Steuersatz) bis zu 9000 Euro erstatten.


    Ob sich das rechnet, muss jeder für sich entscheiden.

  • ...also nach der Rechnung ein Rentenfaktor von 45! Für 10.000 € Einzahlung erhältst Du 45 € monatliche Rente (gilt für die Rente ab 67).


    Die 25.000 € kannst Du nicht im ersten Jahr komplett steuerlich geltend machen, weil sie zu den begrenzt absetzbaren Vorsorgeaufwendungen zählen. Die Grenze liegt bei ca. 20.000 € im Jahr und u.a. Deine normalen Rentenbeiträge fallen dort auch schon rein. Es müsste also verteilt werden. Gewöhnlich steigt der "Preis" für den Rentenpunkt jedes Jahr. Dafür erhöht sich jedes Jahr bis 2025 noch der Grad der "Absetzbarkeit" um 2 Prozentpunkte. Finanzmathematiker und Excel-Akrobaten jetzt bitte nach vorne treten.

  • Hallo,
    ich möchte noch einen etwas anderen Aspekt in die Diskussion einführen: „Die Rente ist sicher.“ Noby Blühm ist für diese Aussage viel belächelt worden, aber m.E. hat er so weit recht, dass die gesetzliche Rente für den Durchschnittsbürger immer noch die sicherste Form der Altersversorgung ist. Seit Einführung unter Bismarck ist über alle Regierungssysteme hinweg die Grundstruktur erhalten geblieben und der sogenannte Eckrentner konnte und kann davon leben.
    In Relation zur gesetzlichen Rente sind ETF spekulative Anlageformen, die nicht nur wirtschaftlich abstürzen können sondern auch höheren politischen Risiken ausgesetzt sind. Dafür wird man im Erfolgsfall mit einer höheren Rendite belohnt.
    Insofern würde ich meine Entscheidung davon abhängig machen, ob die reduzierte Rente für meine Bedürfnisse reicht. Falls ja, sind die ETF ein schönes Zubrot. Falls nein, würde ich die Sicherheitsvariante wählen.
    Wie immer gilt aber, Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.


    Gruß Pumphut

  • Hallo @GoldGaleone,
    Ich stand vor dem gleichen Problem. Damals gab es für Bundesschatzbriefe noch recht ordentliche Zinsen. Da habe ich mich gegen die Einzahlung in die Rente entschieden.
    Meine Geldanlagen habe ich in der Reihenfolge aktive Aktienfonds, Festgeld und Aktien-ETFs angegangen. Dabei muß ich sagen, ich habe auch etwas Glück gehabt. Es hätte auch ander kommen können.
    So werden meine Nachkommen hoffentlich von meiner Entscheidung noch profitieren können.
    Gruß


    Altsachse

  • Hallo zusammen,


    ich danke euch tausendfach für diese tollen Hinweise und Informationen! Auch wenn ich mir einiges schon vorher an Aspekten zusammengesammelt hatte, ist es einfach nochmal gut, so viel Expertenwissen in der Materie zu bekommen!
    Einfach super, ihr seid spitze!


    GoldGaleone

  • Hallo Sterne-22,


    ich werde die Sonderzahlungen vollständig einzahlen in die DRV. Werde vorher aber mit meiner Steuerberaterin abklären, wann ich welche Summen einzahle - die Abwägung zwischen Steuervorteil und teurer werdenden Rentenpunkten ist wichtig.
    Viele Grüße & gutes Händchen bei deiner Entscheidung!

  • Für die Frage "Zahle ich 2020 oder 2021 ein" gilt:


    Ein Entgeltpunkt kostet 2020 7.542,49 Euro, in 2021 werden es 7.726,63 Euro sein.


    In 2020 kann man maximal 25.045,80 Euro zu 90% steuerlich geltend machen, 2021 werden es 25.786,80 Euro zu 92% sein. Diese Höchstbeträge reduzieren sich um die in dem Jahr bereits gezahlten Beiträge zur Rentenversicherung. Daher ist das Steuerberatungsbüro eine notwendige Station bevor es ans Zahlen geht.


    Die gegenläufigen Effekte (Kosten in der Rentenversicherung steigen von Jahr zu Jahr, steuerliche Absetzbarkeit steigt von Jahr zu Jahr) muss man dann abwägen.

  • Das wäre ja prädestiniert für einen Excel Kalkulator um sich den Steuerberater zu ersparen. Hat sich da schon mal jemand Gedanken gemacht?

  • Die grundlegende Mathematik ist nicht allzu kniffelig. Die Frage wie viel "Luft" noch da ist, ließe sich so relativ einfach klären. Aber im Haushaltskontext (bei gemeinsamer Veranlagung) könnte es unübersichtlich werden. Die Frage, wie hoch mein Grenzsteuersatz dieses oder nächstes Jahr ist, würde ich lieber an die steuerberatend tätige Person delegieren wollen. :saint:

  • Hallo zusammen,


    „In 2020 kann man maximal 25.045,80 Euro zu 90% steuerlich geltend machen, 2021 werden es 25.786,80 Euro zu 92% sein. Diese Höchstbeträge reduzieren sich um die in dem Jahr bereits gezahlten Beiträge zur Rentenversicherung. Daher ist das Steuerberatungsbüro eine notwendige Station bevor es ans Zahlen geht.“

    • Wenn man mit der Frau gemeinsam veranlagt ist, sind das dann 2 x 90% der 25.045,80 Euro?
    • Wenn man die Steuererklärung von 2019 heranzieht, welche Position kann man sich anschauen, um grob abzuschätzen, wie viel abgesetzt werden kann?
      • (A) Die Position Summe der Altersvorsorgeaufwendungen oder
      • (B) die Position 88% der Altersvorsorgeaufwendungen oder
      • (C) die Position ohne Arbeitgeberanteil? Sprich der Betrag, der hinter "verbleiben" steht (Altersvorsorgeaufwendungen)?
      • (D) Oder ist die Summe der abziehbaren Vorsorgeaufwendungen heranzuziehen (bei denen dann auch die Krankenversicherungsbeiträge und Pflegversicherungsbeiträge etc. eingerechnet sind)

    Ich selbst vemute (A). D. h. 2 x 25.786,80 - Position (A) -> Mögliche steuerliche Anrechnung?

    Danke für die Hilfe bzw. Tipps.

  • Wenn man mit der Frau gemeinsam veranlagt ist, sind das dann 2 x 90% der 25.045,80 Euro

    Ja, genau. Hier nur beachten, dass Ihr Partner eventuell auch Anteile an diesem Betrag verbraucht.


    Und dann (C), da bei Ihnen nur das abgerechnet werden kann, was Sie auch wirtschaftlich getragen haben.


    Gruesse

    Jede Steuer hat etwas erstaunlich ungemütliches für denjenigen, der sie zahlen oder auch nur auslegen soll.


    Otto von Bismarck


    -Schlauer wird es nicht-

  • Der Zeitpunkt der Zahlung (also des Geldeinganges beim Rentenversicherungsträger) ist relevant.


    Bis Silvester würde ich nicht warten, aber wenn das Geld am 28.12. auf die Reise geht, dann sollte die Rentenversicherung den Eingang des Geldes noch in 2020 bescheinigen können.


    Nach der Zahlung einfach eine Beitragsquittung von der Rentenversicherung anfordern.