Verständnisfrage zu Folge #9 Warum steigen Aktien eigentlich?

  • Hallo Finanztip Team!


    Zunächst einmal ein großes Lob für den tollen neuen Podcast.

    Vor allem die Folge #9 mit dem Thema "Warum steigen Aktien eigentlich?" hat mir sehr geholfen.


    Ich habe dazu eine Verständnisfrage, die ich aus aktuellem Anlass gerne am Beispiel von SAP stellen würde.

    Die Aktie ist bekanntermaßen vor kurzem um 22% gefallen. Und das an nur einem Tag. Hier wurden die Aktionäre wie es heißt aufgrund der Gewinnwarnungen verschreckt.


    Meine Frage:

    Warum verkaufen so viele Aktionäre aufgrund solcher Informationen plötzlich Ihre Anteile?


    Der Börsenwert (also die Marktkapitalisierung) einer Firma ABC ermittelt sich ja anhand der im Umlauf befindlichen Anteile x dem aktuellen Aktienkurs. Hat die Firma ABC bspw. 10.000 Anteile im Umlauf und steht der aktuelle Kurs bei 100,- Euro, so ergibt sich ein Börsenwert von 1.000.000,- Euro.


    Wenn es jetzt zu einer Gewinnwarnung für die Zukunft kommt, führt das doch aber nicht unweigerlich zu einem geringeren Börsenwert in der Gegenwart oder nahen Zukunft?


    Mir ist schon klar, dass eine solvente und solide Firma mit zukünftigen Gewinnen eben weitere Investitionen tätigen und somit zusätzliche/neue Umsätze/Gewinne erwirtschaften kann. Verluste hingegen bringen diese Möglichkeit natürlich nicht und können sogar zu Umsatzverlusten führen. Aber diese Entwicklungen hängen doch nicht 1 zu 1 am Aktienkurs?!


    Vielleicht ist das eine total banale Frage, aber ich bekomme das nicht verdrahtet. Vielleicht könnt ihr mich aufklären.


    Gruß

    gambler247

  • Hallo gambler247 , willkommen im Finanztip-Forum.


    Du hast zwar das Team angesprochen, ich versuche mich trotzdem mal an einer Antwort.


    Es ist letzte Woche keine einzige Aktie von SAP herrenlos geworden. Es wurden genauso viele Aktien verkauft wie auch wieder gekauft. Es wurde nur für die einzelne Aktie weniger gezahlt. Im März mitten in Corona wurde für eine Aktie rund 83€ gezahlt, im Sommer über 140€, am Freitag noch 92€, Daran siehst Du die immense Schwankung des Börsenwerts.


    Davon zu unterscheiden - und ich denke da ist Dein gedanklicher Hänger - ist der theoretische / faire Wert einer Aktie. Dazu gibt es verschiedene Modelle und Theorien. Ein gern genommenes ist Summation künftiger Gewinne pro Aktie, die über einen risikolosen Zins auf den heutigen Wert zurückgerechnet werden. Das entspricht der Betrachtung eines Festgelds, bei dem ja jedes Jahr ein Zins gezahlt wird, der umso weniger Wert ist je später er gezahlt wird und dessen Rendite sich aus den Zinszahlungen über Zeit berechnet.


    Wenn nun SAP sagt, dass die Gewinne in Zukunft weniger stark wachsen werden - genau das ist passiert - werfen die Bewertungsmodelle eben einen geringeren fairen Wert aus. Du als Anleger kannst dann überlegen, ob Du weiter Dein Geld in SAP anlegst oder z.B. in Alphabet / Google, die sehr gute Zahlen abgeliefert haben. Entsprechend sind Anleger bereit mehr für Alphabet zu zahlen - die Aktie ist am Freitag um 3,5% gestiegen - aber eben weniger für SAP - am Freitag weiter um 1,5% gefallen.


    Bei SAP kommen jetzt noch mindestens zwei weitere Faktoren hinzu;


    Die Börse neigt zu Übertreibungen. Das Geschäftsmodell von SAP ist weiterhin erfolgversprechend, auch wenn es kurzfristig eben nicht ganz so toll laufen wird wie vorher erwartet. Derartige Überraschungen mag die Börse / mögen die Anleger nicht und sind dann nur bereit relativ weniger zum fairen Wert zu zahlen als bis vor kurzem, was den Kurs zusätzlich drückt.


    SAP gehört zum Bereich der Wachstumswerte, speziell rund um IT. Dieser Bereich war seit Corona stark gefragt, speziell von März bis in den September hinein. Bei den letzten Quartalszahlen wurden alle Ergebnisse gefeiert und die Kurse stiegen weiter. In diesem Quartal werden selbst gute Zahlen wie z.B. bei Microsoft diese Woche genutzt, um Aktien zu verkaufen, da sich die Anleger zunehmend Fragen stellen, ob die hohen Kurse in diesem Bereich gerechtfertigt sind.


    Die psychologischen Rahmenbedingungen für SAP waren auch nicht gut, das hat die Übertreibung nach unten verstärkt.

  • Hallo.


    Vorweg: Der Aktienkurs stellt den Preis einer Aktie dar, nicht ihren Wert. ;)


    Der Preis liegt ja dort, wo sich Wünsche und Vorstellungen von Käufer und Verkäufer treffen. Ändert sich ein Faktor, so ändert sich der Preis. ( Kater.Ka hat es vielleicht etwas netter ausgedrückt.)

  • Vielen Dank für eure Antworten, aber ich glaube ich muss nochmal anders anfangen.


    Mit dem Kauf von Aktien verfolgen wir das Ziel einer gewissen Rendite. Wir investieren ja mit dem Grundgedanken eines zukünftigen Gewinns. Das geht bekanntermaßen über zwei Wege: 1) Dividenden-Rendite 2) Kurs-Rendite. Beides zusammen ergibt entsprechend die Gesamt-Rendite.


    Zurück auf Null:

    Die Firma XYZ benötigt für seine zukünftige Geschäftsausweitung entsprechendes Kapital. Dazu geht es an die Börse und bietet potentiellen Investoren entsprechende Unternehmensanteile (Aktien) gegen deren Kapital. Mir ist klar, dass dieser Punkt hier sehr vereinfacht dargestellt ist.


    Wir kaufen also bspw. 10 Aktien zu einem Preis von jeweils 100,00 Euro. Somit sind wir mit insgesamt 1.000,00 Euro investiert.


    Der Preis der Aktie variiert natürlich und wird durch Angebot und Nachfrage reguliert. Aber woraus ergibt sich bspw. eine höhere Nachfrage und ein damit verbundener Kursanstieg.


    Mit dem Kauf und Verkauf von Aktien auf dem Sekundärmarkt (der Börse), wird doch das Eigenkapital der Firma XYZ überhaupt nicht berührt. Das sind doch nur Buchwerte.


    Warum steigt der Aktienkurs, wenn die Firma XYZ bspw. ein sehr vielversprechendes Umsatzwachstum oder Gewinnwachstum voraussagt.


    Ich bin mir nicht sicher, ob ihr mir gedanklich folgen könnt.

  • Warum steigt der Aktienkurs, wenn die Firma XYZ bspw. ein sehr vielversprechendes Umsatzwachstum oder Gewinnwachstum voraussagt.

    Ist es nicht eher so, dass die Kurse anziehen, wenn positive Quartalszahlen vorgelegt werden?


    Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel. Bei AAPL reichen meist schon die Hoffnungen oder Erwartungen der Aktionäre nach den Vorstellungen von „Innovationen“.


    Ansonsten steckt dahinter, dass mit Gewinnerwartungen auch Dividenden erwartet werden (sofern die AG Dividenden ausschütten) und diese quasi im Kurs beinhaltet sind.


    Wenn man die Kurssprünge der letzten Tage betrachtet, kann man irgendwie keine Logik erkennen. Zumindest fehlt mir da der Zusammenhang von Kursen mit Umsätzen / Gewinnen / Buchwerten...


    Märkte sind halt auch „politisch“...

  • Der Preis der Aktie variiert natürlich und wird durch Angebot und Nachfrage reguliert. Aber woraus ergibt sich bspw. eine höhere Nachfrage und ein damit verbundener Kursanstieg.

    Das hatte ich in #2 versucht zu beschreiben.

    Es gibt fundamentale Kriterien, d.h. dass z.B. höhere Gewinne pro Aktie erwartet werden als bei anderen, dann steigt die Nachfrage

    Es gibt grundsätzlich Einschätzungen, man kann auch Moden dazu sagen. Bis Montag waren Corona-Gewinner attraktiv, also Lieferdienste, Versandhändler, Videokonferenzdienste. Da jetzt für die Börse Corona vorbei ist plötzlich wieder Reiseanbieter, Fluggesellschaften, Kreuzfahrtreedereien.

    Dann gibt es Dividendenfans, die eine Aktie dann bevorzugt kaufen wenn sie viel Dividende zahlt. Dann steigen die Kurse solcher Aktien. Wenn wegen Corona oder EU-Vorgaben die Dividenden gekürzt werden, dann sinken sie, selbst wenn die Ergebnisse weiter gut sind.

    ...

    • Offizieller Beitrag

    Alles natürlich richtig, was hier gesagt wurde.


    Vll. noch ein Aspekt, den ich gestern auf Instagram anhand Bointech/Pfizer angesprochen habe: Man kann eigentlich zu keinem Zeitpunkt sicher sein, welche Gewinn- oder Verlusterwartungen bereits in einem Aktienkurs drinstecken.

    Es gibt ja bekanntlich genügend Beispiele, wo positive Quartalszahlen vorgelegt werden, die Aktie aber dann fällt. Warum? Weil im Kurs noch höhere Erwartungen, noch höhere Fantasien dringesteckt haben.


    Wann ein tipping point erreicht ist, wann also zB Hoffnung in Angst umschlägt, läßt sich kaum vorhersehen. Das ist auch einer der Punkte, an dem zB die Chartanalyse m.E. regelmäßig scheitert: Der Trend ist immer nur solange da, bis er sich umkehrt.

  • Ich meine aber immer noch etwas anders.


    Angenommen:

    Firma XYZ hat ein Eigenkapital von 5Mio Euro. Für die oben genannte Geschäftsausweitung werden jetzt weitere 3Mio Euro Kapital benötigt. Maschinen, Rohstoffe etc. Dazu werden jetzt 300.000 Aktien zu je 10,00 Euro ausgegeben. In genau diesem Moment beträgt das Eigenkapital der Firma XYZ ja 8Mio EUR. Natürlich sind jetzt 37.5% diese Eigenkapitals in den Händen der Aktionäre.


    Fazit:

    Firma XYZ hat jetzt 3Mio Euro zusätzliches Kapital erhalten. Und hat dieses Geld auch entsprechend investiert. Wenn doch aber jetzt der Aktienkurs am Markt um bspw. 100% steigt, hat doch die Firma nicht plötzlich zusätzliche 3Mio Eigenkapital im Bestand. Das sind doch nur Buchwerte.

  • Das ist richtig. Nach der Ausgabe der Aktien hat das Unternehmen (eigentlich) nichts mehr vom Aktienkurs. Eigentlich deshalb weil ein stabil steigender Kurs gute Bewertungen und einfachere Finanzierung des weiteren Wachstums ermöglicht, s. der aktuelle Share-Deal von AMD.


    Der Punkt ist ein anderer, nämlich die Frage, in wie weit durch das Agieren des Unternehmens das Unternehmen wertvoller wird. Sofern das so ist profitieren die Anteilseigner daran und das Maß der (erwarteten) Wertsteigerung ist der Kurs.

  • Für das Unternehmen selbst sind steigende oder zumindest stabile Aktienkurse von Vorteil, wenn eine Kapitalerhöhung stattfinden soll. Bei schwächelnden Kursen fällt es eventuell schwer, genügend Interessenten zu finden, die die Erhöhung mitmachen. Und es kommt schlicht nicht viel neues Geld herein.


    Die Angestellten sind häufig über Mitarbeiter-Aktienprogramme beteiligt und erfreuen sich dann direkt an einer guten Entwicklung. Das trifft auf das Top-Management erst recht zu. Hier sind für den variablen Teil der Vergütung oft zusätzlich noch Ziele auf die Höhe des Kurses gesetzt.

  • Weiterhin angenommen:

    Die Firma XYZ erzielt 10Mio Euro Umsatz und 1Mio Euro Gewinn. Nun werden 50% des Gewinns bzw. 500k Euro an die Anteilseigner ausgeschüttet (Dividende). Die anderen 50% werden anderweitig reinvestiert. Das bedeutet doch dann, dass jene Aktionäre, die das zusätzliche Eigenkapital von 3Mio aufgebracht haben, jetzt 37.5% vom Gewinn ausgeschüttet bekommen. Insofern macht ja ein Investment Sinn.


    Aber:

    Ich kaufe doch so gesehen eine Aktie nur, damit ich die Option der zukünftigen Gewinnbeteiligung habe. Und der wiederum ist irgendwie im Aktienkurs enthalten.

  • Irgendwie so ist es.


    Eine Mischung zwischen heute (aktuelle Dividendenrendite, Buchwert), morgen (erwartete Gewinne) und übermorgen (langfristig - strategisch) und das bezogen auf dieses spezielle Unternehmen (meist der überwiegende Anteil), die Branche (wenn BMW schlechte Zahlen liefert geht auch Daimler runter), die Region (Deutschland, EU, ganz Europa) und die Weltwirtschaft (Trump, Corona).

  • Weiterhin angenommen:

    Die Firma XYZ erzielt 10Mio Euro Umsatz und 1Mio Euro Gewinn.

    ... und angenommen, die XYZ würde 10 bis 100 mal so groß sein, wie in deinem Beispiel... dann würden Broker, Investmentbankster, Vermögensverwalter etc. ihre Kontakte nutzen, die Medien mit „Analystenmeinungen“ goil machen und teils abgesprochen Kauforder platzieren, um die Kurse zu kitzeln. Irgendwann (bald) würden sie ggfs. massiv Gewinne mitnehmen, bis die Kurse purzeln... ohne dass XYZ irgendetwas anders machen würde. Wenn die Kurse unten sind... wird wieder gekauft und auf Nachfrage gespielt...

    Wir wundern uns dann über eine Vola, die gerade mal gar nix mit den Ergebnissen der XYZ zu tun haben ?

  • Alles ok, aber was ich doch sagen will, ist:

    Wir kaufen Aktien mit einer gewissen Gewinnerwartung. Wir wollen mit unseren gekauften Unternehmensanteilen am Gewinn teilhaben. Ich meine deswegen machen wir das ganze ja überhaupt. Gewinne ergeben sich aber naturgemäß nur dann, wenn XYZ rentabel wirtschaftet. Wenn doch aber der Aktienkurs auf dem Sekundärmarkt überhaupt gar keinen Einfluss auf die fundamentalen Werte eines Unternehmens hat, dann hab ich doch irgendwo einen Denkfehler. Der Aktienkurs multipliziert mit seinen im Markt umlaufenden Anteilen ergibt doch nur den Börsenwert bzw. die Marktkapitalisierung.


    Fazit:

    Wir kaufen anderen Investoren doch einfach nur Ihre Anteile ab, weil wir XYZ zutrauen, dass es Gewinne erwirtschaften wird, an denen wir dann als Anteilseigner beteiligt sind. Aber ob diese Gewinne hoch oder niedrig ausfallen, hat doch im Grund genommen überhaupt nichts mit einem höheren oder niedrigeren Aktienkurs zu tun. Meinem Verständnis nach entsteht eine Rallye daher eher, weil viele potenzielle Anleger am Gewinn beteiligt sein wollen. Mehr Nachfrage als Angebot = Steigende Kurse. Ob der potenzielle Gewinn je Aktie im Verhältnis zum gezahlten Preis allerdings dann noch lohnt, ist sicherlich eine andere Frage.