Flugverspätung - Entschädigung auch bei Umstieg?

  • Hallo,


    zum Thema Flugverspätung bei Umsteigeflügen folgender Fall:
    Wir hatten bei AirBerlin einen Flug von Berlin nach Kalamata (Griechenland) gebucht. Der Flug sollte mit AirBerlin von Berlin nach Wien, von dort mit FlyNiki (100%ige Tochter von AirBerlin) nach Kalamata erfolgen. Der erste Teil des Fluges verlief nach Plan. Der Weiterflug mit FlyNiki wurde dann aus "technischen Gründen" nach Athen umgeleitet und von Athen aus erfolgte der Weitertransport mit einem Reisbus nach Kalamata. Ankunft am Zielort mit 6-stündiger Verspätung.


    Da für die Entschädigungsforderung die (Großkreis-)Entfernung zum Zielort maßgebend ist, nun meine Frage:
    Ist der Flug als Gesamtflug von Berlin nach Kalamata zu betrachten oder zählt hier nur die Weiterbeförderung von Wien nach Kalamata?



    Vielen Dank !

  • Flüge sind -auch bei Umsteigeverbidnungen- immer isoliert zu betrachten. Somit wird bei der Flugstreckenberechnung die Strecke Wien-Kalamata zu Grunde gelegt. - Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Flugunregelmäßigkeit schon auf dem Erst- bzw. Zubringerflug stattgefunden hätte und Auswirkungen auf die Weiterreise gehabt hätte. Dann würde vom ersten Abflugort auf das Endziel abgestellt (wäre hier: Berlin - Kalamata)
    Bezüglich der Ausgleichszahlung muß man sich an das 'ausführende Luftfahrtuntenehmen' für den steitgegenständlichen Flug wenden, in diesem Fall 'NIKI'.

    'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG, Beschl. v. 04.06.2012, Az.: 2 BvL 9/08)

  • Auch wenn Niki wirtschaftlich 100-%-ige Tochter von Airberlin ist, so ist er ein eigenständiges Unternehmen, welches verklagt werden müßte, gerade auch im Hinblick darauf, dass es das 'ausführende Luftfahrtuntenehmen' des steitgegenständlichen Fluges war.
    'NIKI Luftfahrt GmbH
    vertreten durch den Geschäftsführer: Oliver Lackmann
    Office Park I, Top B03
    A-1300 Wien'
    So gehörte dies in das Rubrum einer Klageschrift gegen Air Niki.
    Geklagt werden müßte am Sitz des Unternehmen (Wien) oder am Erfüllungsort. Das sind bei einer Flugbeförderung sowohl der Abflug- als auch der Landeort (Wien oder Kalamata).
    Um eine Klage in Wien zu vermeiden, könnte man sich aber auch an die österreichische Schlichtungsstelle wenden, die sogen. 'Agentur für Passagier- und Fluggastechte (apf)' https://www.apf.gv.at/de/flug-apf.html.
    Die Vorteile eines Schlichtungsverfahrens habe ich ich aufgeführt : http://fluggastrecht.blogspot.…fur-den-offentlichen.html
    Abschließend sei bemerkt, dass die deutsche Schlichtungsstelle (soep) nicht zuständig ist, da weder Abflug noch Landung des steitgegenständlichen Flugs in Deutschland erfolgten.


    Als ersten Schritt würde ich das Unternehmen 'Niki' unter angemessener konkreter Fristsetzung schriftlich und per Einschreiben (wegen der Beweisbarkeit der Zustellung mit Einschrieben) auffordern, mir die Ausgleichszahlung (pro Pasagier) auf mein Konto zu überweisen.

    'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG, Beschl. v. 04.06.2012, Az.: 2 BvL 9/08)

  • Herzlichen Dank an Schlesinger für diese ausführliche und klare Auskunft. Das wird denke ich auch anderen Lesern helfen, bei Forderungen den korrekten Weg zu gehen.
    Bei meinen vorherigen umfangreichen Recherchen im Internet auf der Suche nach der "Wahrheit" hatte sich mir das nie eindeutig dargestellt.

  • Guten Morgen!


    Ich habe auch noch eine Frage zu diesem Thema: Wir sind mit Etihad von Sydney über Abu Dhabi nach Düsseldorf geflogen. Der Flug von Sydney nach Abu Dhabi hatte mehr als zwei Stunden Verspätung (technischer Defekt), wodurch wir den Anschlussflug nach Düsseldorf verpasst haben. Insgesamt kamen wir mit fast sechsstündiger Verspätung in Düsseldorf an. Etihad verweigert jetzt die Entschädigung. Zitat: "Der Flug SYD-AUH-DUS fällt nicht in den territorialen Geltungsbereich der Verordnung EG 261/2004, da wir keine europäische Fluggesellschaft sind."


    Nach allem, was ich bisher so gelesen habe, ist das aber nicht zutreffend, oder? Die Reise wurde innerhalb der EU angetreten/beendet und auch hier gebucht.


    Lohnt es sich, hier einen Anwalt einzuschalten?

  • Wir sind mit Etihad von Sydney über Abu Dhabi nach Düsseldorf geflogen. Der Flug von Sydney nach Abu Dhabi hatte mehr als zwei Stunden Verspätung (technischer Defekt), wodurch wir den Anschlussflug nach Düsseldorf verpasst haben. Insgesamt kamen wir mit fast sechsstündiger Verspätung in Düsseldorf an. Etihad verweigert jetzt die Entschädigung. Zitat: "Der Flug SYD-AUH-DUS fällt nicht in den territorialen Geltungsbereich der Verordnung EG 261/2004, da wir keine europäische Fluggesellschaft sind."


    Nach allem, was ich bisher so gelesen habe, ist das aber nicht zutreffend, oder? Die Reise wurde innerhalb der EU angetreten/beendet und auch hier gebucht.


    Lohnt es sich, hier einen Anwalt einzuschalten?

    Flüge sind immer isoliert zu betrachten. So haben wir hier den Hin- und den Rückflug.
    Selbst auf den einzelnen Flugsegmenten (Hin- u. Rückflug) sind der Zubringer- und der/die Anschlußflug/-flüge auch immer stets isoliert zu betrachten.
    Der Flug Sydney-Abu Dhabi spielte sich zum einen außerhalb der EU ab und wurde zum anderen von einem Luftfahrtunternehmen mit Sitz außerhalb der EU durcvhgeführt. Daher findet die 'Europ. Fluggastrechteverordnung' hier absolut keine Anwendung. Auch der Folgeflug von Abu Dhabi nach Düsseldorf unterliegt nicht der VO (EG) 261/2004, der sogen. 'Europ. Fluggastrechteverorodnung', da er von einer Airline mit Sitz außerhalb der EU durchgeführt wurde und außerhalb Europas startete. Vergleiche auch Art. 3 VO (EG) 261/2004.


    Allerdings kann der Passagier, sollte er einen konkreten bezifferbaren Schaden durch die Verspätung erlitten haben (z. B.: Lohnausfall wegen verspäteter Arbeitsaufnahme, Nichtnutzung bereits gebuchter nicht stornierbarer Bahnverbinungen und/oder Hotlezimmer usw.), so kann der Passagier aufgrund Art. 19 u. 20 des Montrealer Übereinkommens gegen die Ariline vorgehen. Allerdings ist der Passagier hier sowohl über die Art des Verpätungsschadens als auch über dessen Höhe nachweispflichtig. - Nach dem Montrealer Übereinkommen (MÜ) gibt es also keine pauschalen entfernungs- und verspätungsabhängigen pauschalen Ausgleichszahlungen als Schadenersatz, wie es die 'Europ. Fluggastrechteverordnung' vorsieht.

    'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG, Beschl. v. 04.06.2012, Az.: 2 BvL 9/08)

  • Hallo @flavala,



    der Fall ist m.E. etwas differenzierter zu betrachten. Falls Sie zwei separate Flüge Sydney – Abu Dhabi und Abu Dhabi – Düsseldorf gebucht hatten, zufällig beide bei Etihad, ist Schlesinger sicher zuzustimmen. Falls Sie allerdings einen einheitlichen Flug Sydney – Düsseldorf mit Umstieg in Abu Dhabi bei Etihad gebucht haben, gilt die EU- Fluggastrecht- VO; siehe hierzu https://www.finanztip.de/flugverspaetung/ und das dort verlinkte Urteil des EuGH, Urteil vom 31. Mai 2018, Az. C‑537/17.


    Falls letzteres zutreffend ist, empfehle ich, sich an eines der Fluggasthelferportale zu wenden.


    Gruß Pumphut

  • Falls Sie zwei separate Flüge Sydney – Abu Dhabi und Abu Dhabi – Düsseldorf gebucht hatten, zufällig beide bei Etihad, ist Schlesinger sicher zuzustimmen. Falls Sie allerdings einen einheitlichen Flug Sydney – Düsseldorf mit Umstieg in Abu Dhabi bei Etihad gebucht haben, gilt die EU- Fluggastrecht- VO; siehe hierzu https://www.finanztip.de/flugverspaetung/ und das dort verlinkte Urteil des EuGH, Urteil vom 31. Mai 2018, Az. C‑537/17.


    Falls letzteres zutreffend ist, empfehle ich, sich an eines der Fluggasthelferportale zu wenden.

    Erstmal schönen Dankl für den Hinweis! Selbst als 'alten Hasen' der VO (EG) 261/2014 ist mir auch mal Urteil nicht zur Kts. gelangt und zwar das des EuGH, Urteil vom 31. Mai 2018, Az. C‑537/17. Demnach könnte man die Flugbuchung auch als einen Flug bezeichnen.
    Das erlangt immer dann Bedeutung, wenn jemand mit einer Airline (ganz gleich ob Airline mit Sitz in der EU oder mit Drittstaatenairline) in Europa startet und eine Umsteigeverbindung mit Umstieg außerhalb Europas antritt.


    Im Fall von @flavla verhält es sich jedoch anders. Dort fliegt eine Drittstaatenairline aus einem Drittstaat in die EU. Ganz gleich ob Umsteigeverbindung oder einheitlicher Flug, unterliegt dies nicht der VO (EG) 261/2004. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn es sich um eine Airline mit Sitz in der EU handelt. Denn auch deren Flüge unterliegen der VO (EG) 261/2004, wenn sie außerhalb Europas starten und in Europa landen. Ethiad ist jedoch eine Drittstaatenairline, so daß der Flug in die EU nicht dem Unionsrecht unterliegt. Vergleiche Art. 3 VO (EG) 261/2004.

    'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG, Beschl. v. 04.06.2012, Az.: 2 BvL 9/08)