Vom Kapital leben - realistisch?

  • Im Netz wird der Aufbau passiven Einkommens bis hin zu Frugalismus propagiert. Ich frage mich, wie realistisch das Konzept ist. Wenn man 5.000 netto verdient, davon 80% spart, mit 40 aussteigt und auf einer Basis von 1000 netto bis zum Tod existiert mag das gehen. Aber mein Leben mit drei Kindern sieht irgendwie anders aus.


    Wir bräuchten 50.000 netto im Jahr um gut zu leben. Bei 30% Steuer und 4% Kapitalentnahme wäre das 1.750.000 Kapitalbedarf. Da wir nicht zu denen gehören, die solch ein Vermögen ererbt haben, müssten wir es über 30 Jahre aufbauen. Bei 7% Rendite wäre eine Sparrate von 1500 Euro nötig. Das verdient mancher Berufseinsteiger mit dem ersten Gehalt, ohne zu sparen. Wenn wir erstmal 10 Jahre "nur" 500 Euro sparen, müssten wir anschließend über 20 Jahre 2750 Euro sparen, um noch auf 1.750.000 Kapital in 30 Jahren zu kommen. Völlig unrealistisch.


    Ich glaube, es ist gut sich einen Kapitalstock aufzubauen. Auch wir machen das. Aber die Hoffnung von diesem Kapitalstock vor dem 60. Lebensjahr leben zu können ist völlig verfehlt. Das schaffen naximal 5% der Bevölkerung. Maximal.


    Traurig aber wahr. Passives Einkommen, Blogs zu Frugalismus etc. sind cooles Entertainment. Die Realität von 78 Millionen Menschen in Deutschland sieht anders aus.

  • Genau zu diesem Thema gibt es von Gerd Kommer einen aktuellen Newsletter ;)

    Da wird genau deine Frage erörtert.


    Gerd Kommer ist der Meinung, dass man es so nicht wirklich zu Reichtum schafft (wobei natürlich jeder Reichtum anders definiert)


    Ich kann Ihn dir nur empfehlen.


    Bis zu diesem Artikel war ich auch noch sehr motiviert finanziell frei zu werden (deutlich vor Beginn der gesetzlichen Rente) ;) ;)

  • Davon ab, dass die ganzen Frugalismus-Blogger regelmäßig ohne Kinder planen, wäre das ohnehin nicht massentauglich.

    Fast jeder von denen erzielt auch Einkünfte über P2P-Kredite, vermeidet aber selbst Verschuldung. Das ergibt bei fortschreitender Verbreitung der Idee ein Problem.:/


    @chris2702 Dass die Kinder irgendwann selbst für ihren Unterhalt sorgen, ist einkalkuliert?

  • Referat Janders


    Ich habe nicht detailliert über 25 Jahre geplant. Aktuell zahlen wir für Windeln, demnächst beginnt das Taschengeld, in 14 Jahren ist der Älteste mit der Schule fertig - wird er Medizin in Budapest studieren oder sein duales Studium/Ausbildung selbst finanzieren, studieren drei Kinder in Regelstudienzeit oder werden die Lebensläufe von Brüchen gekennzeichnet sein ....... wir werden es sehen.


    Ich finde 50.000 netto angemessener als 25.000 oder 100.000. In dem Spektrum wird es wohl sein.

  • @chris2702

    Das klingt nach einem Plan. ;)


    Bei den Frugalisten fehlt mir auch regelmäßig die Krankenversicherung in den Berechnungen.

    Andererseits würde ich es als erhöhten Freiheitsgrad ansehen, wenn ich wüsste, dass ich meinen Kapitalbedarf (zusätzlich zu meinen passiven Einkünften) mit 15 Wochenstunden bei Mindestlohn decken könnte. Aber die Definitionen variieren wohl.

  • Neben dem Newsletter von Gerd Kommer kann ich hier die Seite frugalisten.de von Oliver ..... empfehlen. Da gibt es auch einen Artikel zum Thema Krankenversicherung für Privatier.


    Oliver ist allerdings auch Frugalist durch und durch ;)

  • Genau zu diesem Thema gibt es von Gerd Kommer einen aktuellen Newsletter ;)

    Da wird genau deine Frage erörtert.

    Der Newsletter ist nett aber doch recht oberflächlich. Ein einziges detailliertes Szenario würde helfen, mir selbst Gedanken zu machen, welche Faktoren bei mir eine Rolle spielen. Aber dem Grundtenor stimme ich durchaus zu.

  • Der Newsletter ist nett aber doch recht oberflächlich. Ein einziges detailliertes Szenario würde helfen, mir selbst Gedanken zu machen, welche Faktoren bei mir eine Rolle spielen. Aber dem Grundtenor stimme ich durchaus zu.

    Auf frugalisten.de gibt es einen Rechner, der sagt dir genau wann du daheim bleiben kannst ;)


    Es gibt aber einige Fragezeichen

    - Wie wird sich die Inflation entwickeln

    - Wie das Thema Steuern, Krankenversicherung


    Ich würde tatsächlich versuchen eine hohe Sparrate hinzubekommen (ist auch mit Kids möglich) und am Ende schauen wofür es langt.


    Man darf allerdings auch nicht den Fehler machen sich im hier und jetzt zu wenig zu gönnen (erwische mich teilweise selbst dabei :(


    Ich betreue selbst einige Kunden die zwar jetzt die entsprechende "Kohle" haben, aber z.B. aus gesundheitlichen Gründen mit dem Geld gar nichts mehr richtig anfangen können...


    Ganz spannendes Thema ;)

  • Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke mir,die Fragulisten bringen sich selbst für lange Zeit um Lebensqualität.

    Ein gesundes Verhältnis von Lebensqualität, und vernünftige Geldanlage, finde ich für mich sinnvoller.

    Gruß


    Altsachse

  • Hallo,


    sicherlich wird es den wenigsten ohne entsprechendes Erbe gelingen, soviel anzusparen, dass man mit 40 oder 50 gut vom Kapital leben kann. Aber es gibt m.E. eine durchaus lohnende weitere Überlegung. Wenn man z.B. „nur“ 100.000 Euro Kapital hat, kann man davon zu heutigen Preisen sicherlich 4 Jahre gut und 8 Jahre irgendwie leben. Mit dieser Gewissheit kann man vielen Zumutungen im Job doch wesentlich gelassener begegnen. Und wenn der Chef zu sehr nervt, kann man mit dem Polster sagen, ich gehe und einen 1.000 Euro- Job ohne Stress werde ich schon finden.


    Wusste schon Bertold Brecht: Geld macht nicht glücklich, aber es beruhigt.


    In dem Sinne ist ein Kapitalpolster immer gut und erstrebenswert.


    Gruß Pumphut

  • Auf YouTube bin einmal über einen Frugalisten gestolpert, der im Studium, nach einer Erwerbsbiografie von insgesamt unter einem Jahr, für sich herausgefunden haben wollte, dass das mit der Arbeit doch nichts für ihn sei.


    Da hätte ich mir für den jungen Mann eher ein anderes Verhältnis zwischen Geldanlage und Lebenserfahrung gewünscht, losgelöst von der Lebensqualität.

  • Referat Janders

    Seien Sie nicht so streng mit den jungen Leuten. Im weiteren Bekanntenkreis kenne ich einen jungen Mann, der in einer Lebenskrise zwei Jahre faktisch auf Kosten seiner Freunde mit 50 Euro p.M. an Barmitteln gelebt hat. Er hat sich gefangen und übt heute einen achtenswerten Beruf aus und steht finanziell auf eigenen Beinen.


    Gruß Pumphut

  • Wir bräuchten 50.000 netto im Jahr um gut zu leben. Bei 30% Steuer und 4% Kapitalentnahme wäre das 1.750.000 Kapitalbedarf.

    Es gibt zwei Faktoren, die Euren Kapitalbedarf noch deutlich dämpfen könnten:


    Du hast so gerechnet, dass Du zum Rentenbeginn eine Summe X brauchst und Ihr ausschließlich von der Rendite lebt. Zum einen könntet ihr irgendwann beginnen, auch das Kapital zu verzehren. Zum anderen vermehrt sich das noch nicht verbrauchte Kapital ja noch weiter und diese Gewinne stehen zusätzlich zur Verfügung.

  • ... wahrscheinlich liegt der Schlüssel zwischen den Ohren!

    Mit einer ~7%igen Rendite und einem Patoffeldepot kann ich bei Sparraten von ~ 20 bis 25% vom Netto eine „fette“ private Altersversorgung hinbekommen.


    Hat ein Anfang-Dreissiger 50k (Spielgeld) frei, Kenntnisse über Anlagen/Investitionen und ~2 Stunden Zeit pro Tag... 7 Tage pro Woche... kann über Renditen von ~18%+ nachgedacht werden...

    Alter 30 = 50k

    Alter 34 = 100k

    Alter 38 = 200k

    Alter 42 = 400k

    Alter 46 = 800k

    Alter 50 = 1.6m... Zuwachs ~ 320k p.a. / davon 160k Entnahme minus Zockersteuer.


    Alter 54 = 1.76m usw.


    Natürlich sind die ~18%+ nicht durchgängig darstellbar; deshalb wird diese Geschichte auch nicht linear verlaufen.

    Die Frage ist, ob das „Spielgeld“ locker gemacht werden kann und ob die 2 Stunden weh tun, also die Lebensqualität mindern.

  • Pumphut

    Ich wollte damit nicht alle über einen Kamm scheren. Mir fehlt nur in einem konkreten Beispiel so ziemlich jedes Verständnis für so ziemlich alles .


    Wem die Beispiele des Frugalismus zur finanziellen Selbstermächtigung helfen, der kann froh sein, diese Beispiele gefunden zu haben. Finanztest, die Verbraucherzentralen und FinanzTip allein werden nicht alle erreichen. Solange die Leute anfangen sich Gedanken um die finanzielle Gegenwart und Zukunft zu machen, ist doch zweitrangig wo der Impuls hierzu herkam. :saint:

  • Solange die Leute anfangen sich Gedanken um die finanzielle Gegenwart und Zukunft zu machen, ist doch zweitrangig wo der Impuls hierzu herkam.

    Oh ja, das möchte ich dick unterstreichen!

    Und im nächsten Schritt steht dann an, sich „Vorbilder“ zu suchen... und zu hinterfragen, wie die es und mit welcher Methode zu „was“ geschafft haben.

    Opa hat immer gesagt: „Bub, du musst sparen... dir Geld zurücklegen... weniger ausgeben als du verdienst! Das Geld kommt aufs Sparbuch!...“ - Opa war nicht arm, aber auch nicht reich... und nie finanziell unabhängig; er hat bis ins Rentenalter gearbeitet. Sein Häuschen war schon vor Erreichen des Rentenalters bezahlt.


    Will ich so leben und alt werden?


    Anderes Beispiel: Bänker auf dem Land, Mitte 50, erzählte seinem Sohn und mir (Ende 20), wie wir tunlichst mit unseren Geld umgehen sollten. Am besten so wie er!

    Weniger ausgeben als verdient wird. Spargeld aufs Sparbuch (damals gab es sogar Zinsen). Bausparvertrag abschließen. Lebensversicherung abschließen wegen Rentenlücke. Er hatte ein schickes Haus, das bis knapp vor der Rente voll bezahlt sein würde... und zur Gesetzlichen und Betrieblichen AV würde er um die 300.000 DM aus der LV bekommen.

    Geil!


    Will ich so leben und alt werden?


    Wenn nicht... dann muss ich weiter nach „Vorbildern“ suchen. Unternehmer? Wohlhabende, egal ob als Unternehmer oder abhängig Beschäftigte wohlhabend geworden?

    Ich muss checken, was in der Vergangenheit funktioniert hat... und ob ich „das“ nachahmen kann und will.


    Fehlt mir das „Spielgeld“ (Geld, das ich weder jetzt, noch übermorgen dringend benötige), muss ich überlegen wie ich es „generieren“ kann. Sparen geht, dauert aber. Verdienen kann auch gehen... extra, zusätzlich zum festen Einkommen. Dropshipping? Gebrauchte Immo aus einer Zwangsversteigerung herauskaufen, renovieren, verkaufen...? Das tun einige Handwerker; tagsüber als Arbeiter kloppen und in der Freizeit richtig arbeiten.

    Je länger/intensiver man sucht, desto mehr „Ideen“ findet man... und entwickelt vielleicht auch eine Vorstellung, was möglich ist und zum lifestyle passt.


    Das schaffen naximal 5% der Bevölkerung. Maximal.

    Ja... dann musst du jemanden von den 5% suchen, finden und ausfragen!


    Ich habe Leute kennen gelernt, die nicht einmal ausgesprochen frugal lebten und trotzdem früh (vor der Rente) finanziell unabhängig geworden sind.


    Letztlich lief/läuft es darauf hinaus, ein paar Schritte weiter/mehr zu gehen als jemand von den 95%. Geld wird als Unternehmer verdient... oder als Investor...

  • Geld wird als Unternehmer verdient... oder als Investor...

    ... ergänzend zum Unternehmer und/oder Investor...


    Der Witz liegt im non-linearen Einkommen begründet.

    Für gewöhnlich erwirtschaften Arbeitnehmer und auch einige Unternehmer und/oder Freiberufler non-lineare Einkünfte. Will sagen... 160 bis 200 Stunden pro Monat werden mit x Euro pro Stunde abgerechnet. Dabei begrenzt der Faktor Zeit die Höhe der Einkünfte.

    Anders schaut es aus, wenn „Ergebnisse“ die Basis für die Berechnung der Einkünfte bilden. Dies finden wir bei „abhängig Beschäftigten“ selten; z.B. dann, wenn Provisionen den Löwenanteil der Gehälter ausmachen... wobei die Zeit immer noch limitiert.


    Leichter haben es da Unternehmer, die den Faktor „Ergebnis“ nahezu beliebig skalieren können. Grenzen gibt’s natürlich auch da...

  • Letztlich lief/läuft es darauf hinaus, ein paar Schritte weiter/mehr zu gehen als jemand von den 95%. Geld wird als Unternehmer verdient... oder als Investor...

    So sieht es aus. Ich würde hier in diesem Zusammenhang auch das Thema Risiko mit aufnehmen, wenn es um das Thema "vom Kapital leben" geht.


    Anderes Beispiel: Ein Bekannter von mir hat in Bitcoins investiert. Und zwar schon vor vielen Jahren, als der Kurs noch im sehr niedrigen vierstelligen Bereich war. Er ist volles Risiko gegangen, weil der davon unglaublich überzeugt war, und hat hohe fünfstellige Summe investiert. Natürlich ist es ein Buchwert, solange man ihn nicht realisiert. Einen Teil davon hat er daher verkauft und in (Dividenden)-Aktien angelegt.


    Er sagt selbst, das Ergebnis war Risikobereitschaft gepaart mit Glück.


    (Hätte natürlich auch nach hinten losgehen können).