Ist meine betriebliche Altersversorgung unterm Strich überhaupt attraktiv?

  • Hallo liebe Community,


    bei der Überprüfung meiner betrieblichen Altersversorgung (bAV) stoße ich derzeit auf verschiedene Fragen, die ich gerne mit der Community diskutieren möchte.

    Die bAV bei meinem Arbeitgeber setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen:

    1.) Zuschuss der Firma

    1,5 % des Einkommens bis BBG Rentenversicherung, 9 % zustätzlich für den Teil oberhalb der BBG

    2.) Tarifliche Komponente

    26,59 EUR / Monat

    3.) Entgeltumwandlung

    Wird - bei Verdienst oberhalt der BBG - nicht weiter bezuschusst.


    Da (1) und (2) unabhängig von (3) sind, steht also die Frage der Entgeltumwandlung im Mittelpunkt und genau diese soll nun gegen andere Anlageformen/-strategien abgewogen werden.


    Wenn ich es richtig verstehe, wird ALLES, also der gesamte Betrag, der aus der bAV zum Leistungszeitpunkt (i. d. R. Regelaltersrente) gezahlt wird, dem persönlichen Steuersatz unterworfen. Als "Gutverdiener" gehe ich hier - bei Bezug der gesetzlichen Rente - von 35 % bis maximaler Steuersatz von derzeit 42 % aus. Folglich spielt auch die Fünftelregelung bei einer Kapitaleinmalauszahlung keine (wesentliche) Rolle.

    Hinzu kommt noch der Betrag für die Kranken- und Pflegeversicherung (AG-und AN-Betrag aus meiner Tasche) als Mitglied der gesetzlichen Krankenkassen (was ich auch bleiben möchte).


    Wenn ich jetzt den Betrag, der in die bAV per Entgeltumwandlung fließt, als Nettobetrag (ca. 160 EUR vs. 276 EUR brutto monatlich in die bAV) in - natürlich thesaurierende ETFs - spare und dabei 26,375 % Kapitalerstragssteuer inkl. Soli AUF KURSGEWINNE unterstelle, fahre ich bei einer Laufzeit von 20 Jahren - 30 Jahren deutlich besser.


    Folglich gibt es aus meiner Sicht kein Argument, die Entgeltumwandlung fortzuführen, insbesondere auch deshalb, weil der dahinterliegende Pensionsfonds ein Zinsänderungsrisiko durch eine Anlage in ca. 1/3 Anleihen aufweist und "nur" 50 % in Aktien investiert (Rest sind u. a. Private Equity und Immobilien). Die letzten Jahren vor dem Renteneintritt wird der Aktienanteil zudem nach und nach reduziert.


    Bitte keine Diskussion über die unklare steuerliche Betrachtung als auch die Sache mit der KV/PV in der Zukunft, das Risiko ist mir (und ich denke auch allen Leser*innen meines Beitrags) bekannt und soll an dieser Stelle ausgeblendet werden.

    Die Garantie des Pensionsfonds (Beitragszusage mit Mindestleistung) spielt für mich bei langer Anlagedauer auch keine entscheidende Rolle.


    Frage an die Community: Sind meine Schlussfolgerungen unter oben geannnten Gesichtspunkten mit einer starken Tendenz zur Beendigung der Entgeltumwandlung zugunsten eines ETF-Sparplans in Aktien (MSCI World o.ä.) bei etwa 20-30 Jahren Anlagehorizont richtig?


    Noch eine Bemerkung an Kollegen, die den Pensionsfonds erkennen:

    Grundsätzlich halte ich ihn für sehr gut, insbesondere für Kolleg*innen, deren Affinität zum Kapitalmarkt nicht gegeben ist, es geht hier nur für mich um Bestätigung bzw. Korrektur meiner Gedanken zum Thema.


    Vielen Dank.

    Martin

  • Ich teile Deine Einschätzung. Durch die 70% Teilfreistellung der ETF reduziert sich deren Steuerabzug sogar auf ca. 20% der Gewinne. Ich habe diese bAV trotzdem lange selber genutzt, um das Vermögen breiter zu streuen. Nachdem ich aber allmählich in ein Alter komme, wo der Aktienanteil weiter reduziert wird, habe ich meine Entgeltumwandlung beendet.

  • Hallo Martin,


    ich erkenne den Pensionfond wieder und stehe gerade vor ähnlichem Problem, ob ich meine bAV (aktuell monatlich die bekannten 4%) weiterlaufen lassen soll.


    Wie hast du die Vorteilhaftigkeit eines ETF-Sparens vom Differenzbetrag denn errechnet? Immerhin hat der Pensionfond in der Vergangenheit ja auch ca 6% Rendite p.a. erwirtschaftet. Würde das in Zukunft weiterhin möglich sein (trotz dem evtl. Zinsänderungsrisiko, geringeren Aktienanteil etc), wäre das ja durchaus Konkurrenzfähig zu einem MSCI World im 20-30-Jahreszeitraum.


    Hoffe du, oder auch andere Experten, können mich ein bischen an den Überlegeungen teilhaben lassen, um mir zu helfen.


    Vielen Dank.

    Thomas

  • Für eine bAV-Entgeltumwandlung spricht v.a. der Steuervorteil (falls der in 30 Jahren noch gilt!). Für einen freien ETF-Sparplan spricht v.a. die Flexibilität. Aus meiner Sicht sind folgende Kriterien wichtig für die Entscheidung:

    - Flexibilität: Bereits gezahlte Beiträge können nicht per Kündigung zurückgekauft werden. Bei Arbeitgeberwechsel ist das Guthaben evtl. übertragbar, ggf. auch private Fortführung nötig.

    - Steuer in Einzalphase: Beitrag aus Bruttogehalt. Nettobeitrag um heutigen Steuersatz niedriger (gilt bis 8% der BBG RV).

    - Steuer in Auszahlphase: Einmalbeträge und Renten mit pers. Steuersatz besteuert. Bei der freien Anlage greift Kapitalertragsteuer auf Erträge nach FIFO-Prinzip (30% Teilfreistellung bei Aktien-ETF).

    - Sozialabgaben in Einzahlphase: Beiträge sozialversicherungsfrei bis 4% der BBG RV.

    - Sozialabgaben in Auszahlphase: In Pflicht-GKV voller Beitrag zur KV+PV auf Renten >160 EUR. In freiw. GKV ohne Freibetrag (!). In PKV neutral. Keine KV-Beiträge für Renten aus privat weitergeführten Beiträgen.

    - Dauer des Rentenbezugs: Rente aus Versicherung bis Lebensende. Rente aus freier Anlage ewig (nachfolgenden Generationen vererbbar).

    - Auswirkungen auf gesetzliche Rente: Beiträge reduzieren unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze auch GRV-Beiträge und damit die spätere gesetzliche Rente (derzeit 6,53 EUR mtl. weniger Rente bei 120 EUR mtl. weniger Bruttogehalt).