Altersvorsorge/Geldanlage vor dem Hintergrund von Krankheit/Behinderung

  • Hallo und frohe Weihnachten!


    Ich habe bereits an anderer Stelle im Internet gefragt, möchte aber gerne den hier versammelten Sachverstand zurate ziehen. Ich möchte mir hier vor dem Hintergrund meiner speziellen Situation Hilfestellung zur Strukturierung von Vermögensaufbau bzw. Altersvorsorge einholen.


    Zu meiner Situation:


    Ich bin Mitte 30, starte aufgrund langjähriger Krankheit / Behinderung (Schwerbehinderung mit GdB 50 liegt vor, Behinderung ermöglicht ein eigenständiges Leben und ist auch nicht unbedingt lebenszeitverkürzend) verspätet ins Erwerbsleben und kann aufgrund dessen auch nur in Teilzeit arbeiten. Aus diesem Grund gibt es auch noch keine bestehenden Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Ich habe keine Kinder und es besteht auch kein Kinderwunsch. Beschäftigt sein werde ich ÖD-nah, es handelt sich um ein relativ sicheres Arbeitsverhältnis. Der Nettoverdienst beträgt circa 1.400 €. Die VL in Höhe von 6,65 Euro, die mein AG zahlt, möchte ich auf 100 Euro aufstocken und in den VL-Sparplan der Degussa Bank einzahlen lassen.


    Persönlich verfüge ich aktuell über ein Vermögen von circa 130k€, davon sind 50k€ in einem weltweiten ETF angelegt, 50k€ liegen derzeit auf dem TG-Konto und sollen ebenfalls in denselben ETF fließen, 15k€ sind in Form von Edelmetallen vorhanden und 15k€ sollen als Notgroschen dienen.


    Ich wohne miet- und abgabenfrei in einer Einliegerwohnung im abbezahlten EFH meiner Eltern. Meine Eltern (60+) sind in Pension bzw. Rente. Pension bzw. Rente reichen problemlos für ein gutes Leben aus und ermöglichen ihnen darüber hinaus, mich in meiner Situation zu unterstützen. Risikoabsicherung der Eltern ist vorhanden (inkl. Absicherung d. Pflegefalls). Das vererbbare Vermögen der Eltern beläuft sich auf aktuell circa 1.500k€ (Eigenheim, Edelmetalle, Sichteinlagen, Wertpapiere). Zur Bestreitung des Lebens ist das Vermögen nicht notwendig, monatlich bleibt sogar immer etwas übrig. Meine Eltern sind eher sparsame Menschen, also sind irgendwelche Kreuzfahrten oder teuren Hobbys in Zukunft sehr unwahrscheinlich. Ich habe keine Geschwister und werde Alleinerbe des genannten Vermögens sein.


    Ich habe die Möglichkeit 8 Rentenpunkte durch Nachzahlung von Beiträgen in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwerben, das Geld würde mir die Familie zur Verfügung stellen. Außerdem könnte ich eine betriebliche Altersvorsorge in Form einer Direktversicherung bei der Allianz abschließen. Mein AG würde hier aber nur 15% zuschießen.


    Zu meinem Anliegen:


    1.      Wie am besten mit dem zukünftigen Erbe umgehen? Hier gilt es mögliche Erbschaftssteuer abzuwägen gegen den Umstand, dass bei vorzeitiger Schenkung und möglicher Arbeitslosigkeit bedingt durch meine Krankheit dann entsprechend keine Sozialleistungen erhalten würde. Ich bin unsicher, was hier ein vernünftiger Weg wäre. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist leider nicht vorhanden und wohl jetzt auch nicht mehr realistisch. Bei meinem AG wäre zwar eine Berufsunfähigkeitsversicherung [Allianz] ohne Gesundheitsprüfung, aber mit 3 Gesundheitsfragen möglich, aber auch da rechne ich mir eigentlich keine Chancen aus.


    2.      Die möglichen Nachzahlungen in die DRV leisten? Wie geht man hierbei am besten vor, lässt sich das gestaffelt vornehmen, um einen möglichst großen Steuervorteil zu haben?


    3.      Könnten Einzahlungen in die bAV Sinn ergeben vor dem Hintergrund, dass die gesetzliche Rente bei mir niedrig ausfallen wird und ich mir trotz des Erbes ein wenig "eigene" Sicherheit für das Alter wünsche?


    4.      Könnte in meiner Situation eine Riesterrente sinnvoll sein (statt oder zusätzlich zur bAV)? Gibt es ggf. gesonderte Riester-Angebote, die besonders attraktiv für Geringverdiener sind?



    Falls jemand nicht auf meine aufgeworfenen Fragen antworten möchte, sondern stattdessen Ratschläge unterbreiten möchte, die in eine andere Richtung gehen, lese ich mir das natürlich auch gerne durch und prüfe, ob es für mich taugt. Für Rückfragen bin ich jederzeit offen. Ich bin dankbar für jeden ernst- und liebgemeinten Ratschlag! Wenn ich nicht sofort antworte, ist das keine Unhöflichkeit, sondern meiner Situation geschuldet. Ich bitte um Nachsicht.


    Herzlichen Dank!

    Sabine

  • Hallo Sabine,


    Schön, dass du dein Leben so im Griff hast.


    Deine Situation ist speziell mit dem GdB. Die Selbstbehalte sind anders als ohne GdB. Und das Vermögen deiner Eltern erheblich. Du solltest dir anwaltlichen Rat suchen.


    Sicher ist, jeder deiner Eltern kann dir 400k steuerfrei vererben. Somit sollten sie sich nicht im Ehegattentestament gegenseitig beerben sondern du solltest erben. Darüber sind die Steuern für Kinder gering. Kannst du hier lesen. https://de.m.wikipedia.org/wik…haftsteuer_in_Deutschland


    Wieviel Sozialleistungen du nach Erbe bekommst, kann ich dir wegen des GdB nicht sagen. Viel wird es nicht sein.


    Bei der bav würde ich nicht auf 100 Euro aufstocken. 6,65 Euro Förderung ist grottig. Du solltest auf den Mindestbetrag aufstocken und auf die Kosten achten.


    Beim Riester würde ich auf anstehende Reformen warten. Riester ist so wie er jetzt ist ein totes Pferd.


    Hast du mal überlegt, einen kleinen ETF Sparplan anzulegen? Das ist für Kleinsparer der chancenreichste Weg zu etwas Rendite. 1500k Erbe mag erheblich klingen, wenn du davon Jahrzehntelang leben willst, relativiert sich das aber und sollte entsprechend gut angelegt sein. Traditionell gibt es bei älteren Menschen auch suboptimale Anlagen. Hier kann man mit einem Honorarberater überlegen, wie man das vorhandene ererbte Vermögen im eigenen Sinne strukturiert und eine Zusatzrente aufsetzt, indem man langsam das Vermögen entspart.

  • Hallo.


    Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Überblick über die eigene Situation. An den Punkt lommen viele gar nicht erst.


    Zu eventuellen Maßnahmen in Sachen Schenkung bzw. Erbschaft kann ich nur raten, kompetente (und kostenpflichtige) Beratung in Anspruch zu nehmen, allerdings sollte man das Thema in der Familie vorher schon offen ansprechen.


    Wenn ich aufgrund der Angaben zum Nettoverdienst Annahmen anstelle, dann würde ich mutmaßen, dass die Rentenanwartschaften aus der aktuellen Beschäftigung zuzüglich der Nachzahlungen bis zum Rentenbeginn einen Anspruch ergeben werden, der oberhalb des Grundsicherungsanspruches liegt. Daher ist die Nachzahlung eine Option, die man sich ansehen sollte. Die Nachzahlung kann in aller Regel auf 5 Jahre gestreckt werden. Die Rentenversicherung erklärt die Modalitäten hierzu (allerdings nicht die steuerliche Komponente dazu).


    Von Entgeltumwandlung halte ich nicht ganz viel, allerdings kann (oder eher könnte) eine kleine bAV, die in der Auszahlungsphase sv-frei bleibt, ganz interessant sein. Nur wissen wir nicht, wie die gesetzlichen Regelungen in gut 30 Jahren aussehen werden.


    Riester könnte ein Thema sein, allerdings ist bei dem Nettoverdienst der Eigenbeitrag im Verhältnis zur Zulage relativ hoch und die steuerliche Absetzbarkeit der Beiträge nicht wirklich deutlich spürbar.


    Der ETF-Bestand wird sich mit Wachstumsraten oberhalb der Inflation vergrößern, also sieht es da schon einmal gut aus. Da ließe sich bestimmt noch aufsatteln.


    Zusammengefasst würde ich sagen:

    VWL mitnehmen, bAV genau anschauen, Riester prüfen, ETF fortsetzen.

  • Mir fällt dazu nur ein, Schenkungen zu Lebzeiten, sind alle 10 Jahre bis zu bestimmten Höhen steuerfrei. Aber ein Fachmann bin ich auf dem Gebiet nicht. War mir nur mal so in den Sinn gekommen.

    Honorarberater halte ich auch für sinnvoll.

    Gruß


    Altsachse

  • Hallo Chris,


    vielen Dank für deine Antwort!

    Schön, dass du dein Leben so im Griff hast.

    Immer ein Kampf, aber ich bleibe auf Kurs! ;)

    Zitat von chris2702

    Deine Situation ist speziell mit dem GdB. Die Selbstbehalte sind anders als ohne GdB. Und das Vermögen deiner Eltern erheblich. Du solltest dir anwaltlichen Rat suchen.

    Was genau meinst du mit Selbstbehalt in Bezug auf den GdB? Mir sind bisher nur die folgenden finanziellen Vorteile des Behindertenausweises bekannt. Ist neben dem Gang zum Erbrechtsanwalt auch ein geeigneter Steuerberater angesagt, ggf. jemanden suchen, der das in Personalunion ist? Darf ich fragen, wie du bei der Suche/Auswahl eines geeigneten Fachmanns vorgehen würdest? Den Weg über Bewertungsportale gehen? Ich musste bisher zweimal auf einen Anwalt zurückgreifen (anderes Fachgebiet) und war jedes Mal "ernüchtert", aber wenigstens ging es da nicht um viel. In der Sache würde ich jedoch ungern an einen Wald- und Wiesenanwalt geraten ...

    Zitat von chris2702

    Sicher ist, jeder deiner Eltern kann dir 400k steuerfrei vererben. Somit sollten sie sich nicht im Ehegattentestament gegenseitig beerben sondern du solltest erben.

    Aktuell besitzen meine Eltern ein sog. Berliner Testament, das ursprünglich aufgesetzt wurde, weil nicht klar war, wie es bei mir beruflich weiterlaufen würde.

    Zitat von chris2702

    Wieviel Sozialleistungen du nach Erbe bekommst, kann ich dir wegen des GdB nicht sagen. Viel wird es nicht sein.

    Ich hätte jetzt mit meinem laienhaften Verständnis gesagt, dass ich im Falle eines Erbes oder einer Schenkung erstmal gar keine Sozialleistungen erhalten würde, sollte ich krankheitsbedingt arbeitslos werden.

    Zitat von chris2702

    Bei der bav würde ich nicht auf 100 Euro aufstocken. 6,65 Euro Förderung ist grottig. Du solltest auf den Mindestbetrag aufstocken und auf die Kosten achten.

    Ich glaube, da haben wir ein Missverständnis. Die VWL meines AG in Höhe von 6,65 Euro stocke ich zwar auf 100 Euro auf, aber sie fließen nicht in eine bAV, sondern in einen VL-Vertrag bei der Degussa-Bank. Mit dem Endbonus kann sich die Rendite dort eigentlich sehen lassen, für eine sichere Anlage.

    Zitat von chris2702

    Beim Riester würde ich auf anstehende Reformen warten. Riester ist so wie er jetzt ist ein totes Pferd.

    Dass es wohl auf Veränderungen in diesem Bereich hinauslaufen wird, habe ich am Rande auch mitbekommen. Hm, eine kostengünstige Möglichkeit, um bis dahin die Zulagen mitzunehmen, gibt es wohl nicht? Das wäre per Banksparplan möglich gewesen, aber diese Form wird im Grunde nicht mehr angeboten?

    Zitat von chris2702

    Hast du mal überlegt, einen kleinen ETF Sparplan anzulegen?

    Sorry, das hatte ich vergessen zu erwähnen. Neben der Anlage von 50k sowie der geplanten Anlage von 50k in den FTSE All-World von Vanguard fließen monatlich auch noch 200 Euro in diesen ETF.

    Zitat von chris2702

    Traditionell gibt es bei älteren Menschen auch suboptimale Anlagen. Hier kann man mit einem Honorarberater überlegen, wie man das vorhandene ererbte Vermögen im eigenen Sinne strukturiert und eine Zusatzrente aufsetzt, indem man langsam das Vermögen entspart.


    Ja, das Vermögen meiner Eltern ist sehr konservativ angelegt. Wir sind im Gespräch, aber viel Skepsis etc. vorhanden. Hier vielleicht auch die Frage: Wie findet man, sollten meine Eltern sich denn dazu durchringen können, einen guten Berater?


    Herzlichen Dank!

    Sabine

  • Hallo Referat Janders,


    auch dir vielen Dank für deine Anmerkungen!

    Zu eventuellen Maßnahmen in Sachen Schenkung bzw. Erbschaft kann ich nur raten, kompetente (und kostenpflichtige) Beratung in Anspruch zu nehmen, allerdings sollte man das Thema in der Familie vorher schon offen ansprechen.

    Das habe ich jetzt auf jedem Fall auf dem Zettel. Vielleicht hast du ja auch einen Tipp, wie man da am geschicktesten einen kompetenten Ansprechpartner findet?

    Zitat von Referat Janders

    Daher ist die Nachzahlung eine Option, die man sich ansehen sollte.

    Ich werde nächste Woche bei der DRV anrufen, um einen Termin für das neue Jahr zu vereinbaren!

    Zitat von Referat Janders

    Von Entgeltumwandlung halte ich nicht ganz viel, allerdings kann (oder eher könnte) eine kleine bAV, die in der Auszahlungsphase sv-frei bleibt, ganz interessant sein. Nur wissen wir nicht, wie die gesetzlichen Regelungen in gut 30 Jahren aussehen werden.

    Das hatte ich auch so im Sinn, denn wenn ich nicht irre, dann sind ja jetzt bis zu 160 Euro Betriebsrente sv-frei. In dem Rahmen wäre das für mich also durchaus interessant. Ich werde die Modalitäten der bAV aber noch einmal mit dem Allianz-Vertreter besprechen und dann kann ich das Angebot hier ja auch noch einmal einstellen.

    Zitat von Referat Janders

    Riester könnte ein Thema sein, allerdings ist bei dem Nettoverdienst der Eigenbeitrag im Verhältnis zur Zulage relativ hoch und die steuerliche Absetzbarkeit der Beiträge nicht wirklich deutlich spürbar.

    Ich nehme an, dass, wenn überhaupt, dann als Riester-Fondssparplan?

    Zitat von Referat Janders

    Da ließe sich bestimmt noch aufsatteln.

    Mit meinen Eltern bin ich derzeit im Gespräch, ob eine Anlage in den ARERO vielleicht etwas sein könnte, womit sie sich anfreunden können. Sie scheuen das Risiko, nicht wegen sich, sondern weil sie das Geld nicht für mich "verspielen" wollen.


    Herzlichen Dank!

    Sabine

  • Hallo Altsachse,


    vielen Dank für deine Anmerkungen!


    Zitat von Altsachse

    Mir fällt dazu nur ein, Schenkungen zu Lebzeiten, sind alle 10 Jahre bis zu bestimmten Höhen steuerfrei.

    Das ist eine Option, die ich auf dem Zettel habe. Ich habe nur die Sorge, dass es am Ende doch krankheitsbedingt arbeitslos werden könnte und ich dann so schlechter fahre als wenn man am Ende die Erbschaftssteuer in Kauf nehmen würde? Ich vermag das gerade nicht gegeneinander abwägen zu können. Einen "Tod" werde ich wohl sterben müssen. Es kann aber auch gut sein, dass ich das Thema an dem Punkt nicht vollständig überblicke. Das wird dann wohl nur ein Steuerberater/Anwalt beantworten können ...


    Herzlichen Dank!

    Sabine

  • Wegen Anwalt würde ich sämtliche Fachanwälte im Umkreis googeln und deren Rezensionen lesen.


    Normalerweise hat man kein Anrecht auf Sozialleistungen, wenn man vermögend ist. Wie das bei GdB ist weiß ich nicht.


    Je nachdem wie das Berliner Testament aufgesetzt ist, sinkt damit dein Freibetrag von 800k auf 400k, weil du ja erst beim zweiten Todesfall erbst, nicht beim ersten.


    Ich würde mir keine Gedanken über 6,65 Förderung oder Riester machen. Das bringt dich nicht weiter.

  • Wenn ich von 1400 netto ganz inspirationslos mit Standardannahmen losrechne, dann wären beim Riester 75 bis 80 Euro im Monat zu zahlen, damit die 175 Euro im Jahr dazukommen.


    Der Oberhammer an Zulagenrendite wäre das nicht. Als Must-Have läuft Riester damit nicht.


    Einen günstigen Fondssparplan als Riester könnte man sich anschauen oder aber sagen, dass der Mangel an Flexibilität und Renditeerwartung beim Riester nicht durch die Zulagen ausgeglichen wird.

  • Wenn es rein um das Erbe geht, wäre ein besonderes Behinderten-Testament sinnvoll. Der Erbe wird Vorerbe. Er hat keinen Zugriff auf das Erbe, aber den Nutzen aus dem Ertrag des Erbes. Ein Testamentsvollstrecker (Vermögensverwalter) hat Zugriff und verwaltet in Absprache mit dem Vorerbe und nach Vorgabe des Testamentes. Dann kann kein Zugriff durch das Sozialamt auf das Erbe erfolgen. Das Behinderten-Testament sollte en erfahrener Notar aufsetzen. Achtung: Nacherben und Enderbe sollten schon benannt sein.