Geld für die (übervorsichtigen) Eltern anlegen

  • Hallo liebe Finanztip-Community,


    Ich lese schon länger Finanztip, schaue die Youtube-Videos, bin seit vier Jahren im Job und bespare seitdem fleißig meine ETF.


    Mein Vater hat anno tuck eine kapitalbildende Lebensversicherung abgeschlossen, die ihm vor Kurzem wegen Laufzeitende ausgezahlt worden ist. Nun steht er kurz vor der Rente und weiß nicht so recht, wohin mit dem Geld. In Aktien traut er sich nicht, und auch ein unabhängiger Honorarberater konnte ihm außer einem schmalen Festgeld nicht viele Optionen aufzeigen.


    Nun hatte ich die Schnapsidee, mir von ihm das Geld geben zu lassen und es selbst in ETF anzulegen. Er braucht es zurzeit nicht und ich habe noch gute vierzig Jahre bis zur Rente, um eventuelle Verluste entspannt auszusitzen. Dafür würde ich ihm konstant bspw. 6 % p.a. auszahlen, egal wie die Aktien gerade laufen.


    Mir geht es dabei nicht darum, Geld an ihm zu verdienen. Ich würde auch bei der Nummer ohne jeden Kopfschmerz ewig lang „draufzahlen“, wenn es halt schlechter läuft. Es sind schließlich meine Eltern und wir haben ein tolles Verhältnis. Viel mehr möchte ich ihnen eine Möglichkeit bieten, anständige Zinsen für ihr Geld zu bekommen, ohne dass sie sich an Aktien wagen müssen.


    Meine Frage: hat die Sache einen Haken, den ich übersehen habe?



    Schon einmal vielen Dank für eure Meinungen!

  • Hallo sisieben,


    das ist in der Tat ein interessantes Problem. Bei meinen Schwiegereltern sieht es ähnlich aus. Deinen Ansatz finde ich auf jeden Fall spannend. Im Prinzip würdest du ein Finanzprodukt exklusiv für deine Eltern basteln, nur ohne Kosten und Risiko für deine Eltern. Es entstehen aber ja Risiken für dich, die es zu managen gibt.

    Da bin ich wirklich gespannt wie eine mögliche Lösung aussehen könnte.


    Gruß TradeAttack

  • Hallo sisieben ,


    wenn Papa das Geld eh derzeit nicht braucht, er also nicht dringend darauf angewiesen ist, kann er doch zum Bleistift ~10% in Fetzgeld und den Rest in einen breit streuenden ETF stecken. Sollte er als Renntier doch etwas Geld aus seinem ETF benötigen, kann er ja immer wieder Anteile verkaufen.

    Die Steuern wären im Rahmen vom Freistellungs-Dingens frei und darüber hinaus auf seinem „Deckel“.

    Ich weiß halt nicht, von wieviel Geld ihr sprecht und welchen Anteil am Vermögen es betrifft... aber der Honorarberater gehört gehauen, wenn er mit solchen stereotypen Empfehlungen ankam. ?

  • Hallo.


    An der Stelle würde ich gerne zwei Gedanken anbringen:


    1.

    Die gesetzliche Rentenversicherung würde sich wahrscheinlich auch bereit erklären, das Geld anzunehmen und zu verrenten.


    2.

    Sich mit Kapitalpuffer und kurz vor Rente nicht an Aktien bzw. Fonds zu trauen, ist eine Frage der Einstellung. Wenn der Vater sich hier in der Community umschaut, eventuell vertieft mit den Postings des Mitgliedes Altsachse , dann könnte dies vielleicht ermutigend wirken, sich doch mit Aktien bzw. Fonds zu beschäftigen, losgelöst von der Altersfrage.

  • Hallo zusammen,


    Danke für eure Rückmeldungen.


    Es geht um einen niedrigen sechsstelligen Betrag, ungefähr das Selbe dürfte noch einmal an Sichteinlagen vorhanden sein. Der Rest steckt im Einfamilienhaus in einem Vorort einer nordrhein-westfälischen Großstadt. Vermutlich könnte man auf diesem Weg auch an irgendwann einmal fälliger Erbschaftssteuer sparen, aber das ist hier nicht das primäre Ziel.


    Mich braucht ihr nicht von ETF zu überzeugen, ihn kann ich nicht überzeugen. Daher die Idee mit dem Umweg über mich als „Risikoträger“. Der Gedanke dahinter ist, dass das Vermögen auf diesem Weg zumindest langfristig arbeiten kann. Wie viel davon gerade bei wem liegt, spielt für uns beide weniger die Rolle. Es soll nur nicht tot herumliegen.

  • Hallo sisieben,


    erst einmal ein dickes Lob, dass Sie sich solche Gedanken machen. Noch ein paar weitere Überlegungen zu denen meiner Vorschreiber:


    Ihre Variante ist eine Schönwettervariante, die funktioniert, solange es ein inniges Verhältnis zu ihren Eltern gibt. Das kann sich beiderseits ändern. Damit dann der Ärger nicht zu groß wird, sollte man einige Eckpunkte schriftlich fixieren. Da fangen die Fragen an, was ist denn die Geldübergabe von Ihrem Vater an Sie, eine Schenkung mit Unterhaltsverpflichtung, ein Kreditvertrag (mit heute schon Wucherzinsen) oder?


    Auch wenn man den Gedanken noch von sich schiebt, welche Auswirkungen hat das Geschäft auf den Erbfall? Eventuell vorhandene Geschwister könnten Fragen stellen. Und auch der überlebende Ehegatte hat, wenn er einen neuen Partner findet, ggf. andere Vorstellungen, wie das Geld zu verwenden wäre.


    Ich würde Ihnen eher raten, weiter mit Ihrem Vater zu diskutieren, dass Geld selbst anzulegen oder auszugeben. Aufstockung der GRV wurde schon genannt. Was ist am Haus noch zu machen, damit es altersgerecht und ggf. energiesparender wird? Und wenn immer noch etwas übrig bleibt, können Sie ihn ja erklären, dass Sie sich als Erbe mehr über ein Depot als über Bargeld freuen würden.


    Gruß Pumphut

  • Ich würde von dem Modell abraten. 6% Zinsen gab es über 50 Jahre im Durchschnitt. Was wenn es in den nächsten 10 Jahren nur 4% gibt?


    Nehmen wir an, er gibt dir 100.000 Euro und du zahlst 6%. Nun crasht die Börse und das Depot ist 50.000 wert. Zahlst du dann immer noch 6000 Euro Zinsen? Willst du deinem Vater eine 12% Festgeldanlage bieten? Aus welchem Grund?


    Worin liegt der Nutzen für das Gesamtfamilienvermögen bei diesem Konstrukt? Es gibt eine Wahrscheinlichkeit, dass du deinem Vater Geld gibst, das nicht durch sein Vermögen erwirtschaftet wurde. Wozu? Schenk ihm dich einfach so 10.000 Euro pro Jahr. Völlig risikofrei.

  • Ich würde von dem Modell abraten. 6% Zinsen gab es über 50 Jahre im Durchschnitt. Was wenn es in den nächsten 10 Jahren nur 4% gibt?


    Nehmen wir an, er gibt dir 100.000 Euro und du zahlst 6%. Nun crasht die Börse und das Depot ist 50.000 wert. Zahlst du dann immer noch 6000 Euro Zinsen? Willst du deinem Vater eine 12% Festgeldanlage bieten? Aus welchem Grund?


    Worin liegt der Nutzen für das Gesamtfamilienvermögen bei diesem Konstrukt? Es gibt eine Wahrscheinlichkeit, dass du deinem Vater Geld gibst, das nicht durch sein Vermögen erwirtschaftet wurde. Wozu? Schenk ihm dich einfach so 10.000 Euro pro Jahr. Völlig risikofrei.


    Freut euch über euer gutes Verhältnis und belastet es nicht durch irgendwelche wirklichkeitsfremden Finanzkonstrukte. Am Ende ist der Schaden größer als der Nutzen.

  • Ich will noch hinzufügen, dass ich selbst 100k+ für meinen Vater in ETF anlege. Allerdings ist er technisch nicht in der Lage einen Onlibebroker zu bedienen (Prof. i. R.). Er hat MSCI World verstanden, gegenüber dem Finanzamt ist es eine Schenkung, im Innenverhältnis rühre ich das Geld nicht an sondern verwalte es nur. Er trägt das Risiko und darf jederzeit darüber verfügen. Wenn er es nicht mehr braucht, habe ich es steuerfrei geerbt.


    Der Unterschied zu deinem Konstrukt ist, dass mein Vater das volle Risiko selbst trägt aber auch die Gewinne abgreifen kann so wie sie entstehen. Ich bin nur der Verwalter, mein Nutzen ist, dass sich das Vermögen meines Vaters besser entwickelt als mit den aktiven Fonds seiner Hausbank und dass ich steuerfrei erbe wenn er es nicht braucht.


    Wir haben ein wunderbares Verhältnis und mit diesem Konstrukt bleibt das auch so. Ich bin im übrigen Einzelkind. Mit Geschwistern würde es komplex, evt über Gemeinschaftsdepot lösbar.

  • Danke für eure Meinungen, besonders auch für die kritischen. Dafür habe ich die Idee ja hier zur Diskussion gestellt.


    Die Einwände bezüglich unseres Verhältnisses kann ich nachvollziehen, wie immer im Leben ist die Entwicklung in den letzten 29 Jahren natürlich keine Garantie. Gegebenenfalls wäre eine schriftliche Fixierung wohl sinnvoll, wobei wir uns aber schon gegenseitig sehr vertrauen. Ich verdanke den beiden sehr viel und würde sie im Leben nicht übers Ohr hauen. Ich denke, das beruht auf Gegenseitigkeit.


    Was die Frage der Erbschaft angeht, so bin ich Einzelkind. Die fehlenden Geschwister, die ich sonst vermisse, wirken sich in diesem Fall wohl vereinfachend aus. Dass beispielsweise meine Mutter nach dem Tod meines Vaters nicht mit einem Ehebetrüger durchbrennt, kann aber natürlich niemand garantieren.


    Die Motivation für die ganze Nummer liegt darin, das Geld überhaupt aktiv angelegt zu bekommen. Im Großen und Ganzen betrachte ich das (Familien)Vermögen als einen großen Topf, den ich im besten Fall irgendwann vermutlich erben werde. Dementsprechend handelt es sich hier eher um ein „Linke Tasche, rechte Tasche“-Spiel, bei dem Fragen von laufender Versteuerung und, im Fall einer Schenkung, die Ersparnis bei der späteren Erbschaftssteuer hinzukommen.

  • Ich verstehe die Motivation hinter Deiner Idee und die "Frustration/Ungeduld", die Du beim Blick auf den übervorsichtigen und vielleicht auch nicht ganz kundigen oder rational agierenden Vater verspürst - solche Konstellationen kenne ich aus dem Freundeskreis. Dennoch würde ich von Deinem Modell (in der beschriebenen Ausgestaltung) eindeutig abraten. Im besten Falle agierst Du naiv, realistischerweise ist das ein sehr großes Risiko sowohl für Deine eigenen Finanzen als auch für das bisher tolle Verhältnis mit Deinem Vater.


    Für das Risiko der eigenen Finanzen: Das Modell ist mathematisch identisch mit: Du leihst Dir bei der Bank 200 000 Euro mit einem Zinssatz von 6% p.a., und investierst diese zu 100% in einen Aktien-ETF. Würdest Du das machen? Falls nein (was ich hoffe), solltest Du es auch nicht mit Deinem Vater machen.


    Und für das Risiko für das Verhältnis: Was passiert denn, wenn der Vater z.B. in 7 Jahren einen Platz im Pflegeheim kaufen muss oder nach dem älter Werden es sich anders überlegt, aber genau ein halbes Jahr vorher die Kurse in den Keller gegangen sind? Bei 6% Auszahlung pro Jahr (nach Steuern!, spricht Du brauchst illusorische 8-9% Rendite dafür) bleibt ja keine Luft für ein Wachsen des Geldes übrig.


    Chance ohne Risiko gibt es nicht, und Du würdest das Risiko für Deinen Vater ja nicht eliminieren, sondern nur verstecken, und dafür sogar Dein eigenes Geld gefährden. Er muss für ein solches Modell die Risiken verstehen (z.B. dass er nicht jederzeit an sein Geld kann, ohne Dein eigenes Geld zu gefährden, quasi als 10 Jahres-Festgeld, wo man mind. 2 Jahre vorher eine Auszahlung anmeldet).


    Ich kenne viele, die helfen ihren Eltern bei der Anlage, aber eher beratend - entscheiden müssen sie selbst, denn es ist ihr Geld und damit auch ihr Risiko. Was helfen könnte, ist zu verstehen, dass man mit Festgeld (etwas anderes bleibt ja neben vielleicht offenen Immofonds, aber nicht in der Corona-Zeit, für den Berater bei der Risikoscheu auch nicht übrig) keine Inflation ausgleicht, sprich den Wert des Geldes nicht erhalten kann. Das geht aktuell nur über einen Aktienanteil, und es gäbe ja Wege, wie ihm das zum Einstieg schmackhaft gemacht werden könnte, z.B. über einen breiten Divididenden-Fonds, der viel ausschüttet und mit dem Value-Tilt ein klein wenig weniger schwankt (auch wenn der natürlich hinter einem marktbreiten Fonds von der Rendite zurückfallen würde). Damit käme man auf ca. 3% p.a. vor Steuern, wenn Deinem Vater regelmäßige Ausschüttungen wichtig sind (ist natürlich unlogisch, weil die Kursentwicklung ignoriert wird, aber vielleicht hilft es für eine Denke alter Schule).

  • Den Vorschlag finde ich für beiden Seiten gut und fair.

    Ich will noch hinzufügen, dass ich selbst 100k+ für meinen Vater in ETF anlege. Allerdings ist er technisch nicht in der Lage einen Onlibebroker zu bedienen (Prof. i. R.). Er hat MSCI World verstanden, gegenüber dem Finanzamt ist es eine Schenkung, im Innenverhältnis rühre ich das Geld nicht an sondern verwalte es nur. Er trägt das Risiko und darf jederzeit darüber verfügen. Wenn er es nicht mehr braucht, habe ich es steuerfrei geerbt.


    Der Unterschied zu deinem Konstrukt ist, dass mein Vater das volle Risiko selbst trägt aber auch die Gewinne abgreifen kann so wie sie entstehen. Ich bin nur der Verwalter, mein Nutzen ist, dass sich das Vermögen meines Vaters besser entwickelt als mit den aktiven Fonds seiner Hausbank und dass ich steuerfrei erbe wenn er es nicht braucht.


    Wir haben ein wunderbares Verhältnis und mit diesem Konstrukt bleibt das auch so. Ich bin im übrigen Einzelkind. Mit Geschwistern würde es komplex, evt über Gemeinschaftsdepot lösbar.

  • Ich möchte mich noch einmal mit einem abschließenden Statement melden: nach erneuter, eingehender Beratung mit meinem Vater konnte ich ihn nun tatsächlich davon überzeugen, einen nennenswerten Teil des zur Verfügung stehenden Betrags in ETF anzulegen. Der Rest in ein Festgeld, um vorhersehbar in einigen Jahren darauf zugreifen zu können.


    Erneut einen herzlichen Dank an alle, die sich mit ihrem Input beteiligt haben. Unterm Strich bin ich selbst froh, dass er sich doch noch umentschieden hat.