Grundsatzfrage: Ist Haus-Mieten "rausgeschmissenes Geld"?

  • Hallo zusammen


    Ich habe das Gefühl, dass sich bei dieser Frage mein Freundes- und Bekanntenkreis spaltet und es häufig mehr zu einer emotionalen Diskussion ausartet, statt zu einer rationalen. Die einen (wie z.B. Onkel, Großeltern, etc) sind felsenfest davon überzeugt, dass Mieten (insbesondere für ein Haus) "rausgeschmissenes Geld" ist und man unbedingt Eigentum erwerben sollte, da es auch nichts besseres fürs Alter gibt. Die anderen (darunter z.B. zwei Honorarberater aus meinem Freundeskreis und andere - tendenziell jüngere - Bekannte) sagen relativ klar: wenn man sich ein Haus kauft sollte das eine rein emotionale Entscheidung sein, finanziell betrachtet ist es selten die beste Lösung.


    Es gibt nun natürlich viele Argumente auf beiden Seiten:


    Pro Kauf (und gleichzeitig Kontra Miete):

    - Man kann mit dem Objekt tun und lassen was man möchte: Wände raus, Wände rein, Bad austauschen, etc)

    - Die monatliche Rate (zumindest der Tilgungsteil) fließt in den eigenen Vermögensaufbau

    - Sobald das Haus abbezahlt ist lebt man in der Rente mietfrei / bei einer Miete müsste man deutlich vermehrt ETF besparen

    - Man hinterlässt etwas den Kindern (wenn diese das Haus erben)


    Pro Miete (und gleichzeitig Kontra Kauf):

    - Man muss keine 10-15% Nebenkosten (was bei den aktuellen Häuserpreisen schnell bis zu 60.000€ werden) "aus dem Fenster werfen" für Notar, Grundbuch, Makler

    - Man muss keine Instandhaltungsrücklagen bilden

    - Man bleibt maximal flexibel: Sind die Kinder in 20-25 Jahren aus dem Haus kann man sich auch eine (kleinere) Wohnung in einer anderen Stadt mieten

    - Man hat keinerlei Stress bei Reparaturen, Renovierungen, etc.: Geht etwas kaputt ruft man den Vermieter an


    Mir ist bewusst, dass es zu diesem Thema auch bereits Finanztip-Videos gibt. Mich würde dennoch eure persönliche Meinung zu der ganzen Thematik interessieren. Habe ich Punkte oben vergessen? Sind manche Punkte vernachlässigbar? Und mache ich wirklich "nichts falsch" wenn ich mein Leben lang kein Eigentum kaufen würde?


    Vielen Dank und viele Grüße!

  • Hallo Tim,


    ich würde hier ein klares "Es kommt drauf an" sehen.

    1) Erzielst du einen emotionalen Mehrwert dadurch, Jahrzehntelang im Eigenheim zu wohnen? Wenn ja, spricht das fürs Eigenheim, man lebt ja nur einmal.

    2) Kannst du ein Haus das dir gefällt leisten zu kaufen? Nutzt ja nichts, wenn nach dem Kauf alles andere hinten anstehen muss, weil du unter Zins und Tilgung ächzt.

    3) Wie steht das Verhältnis Jahresmietwert zu Kaufwert? 20 Jahresmieten wäre ultra günstig, 40 Jahresmieten wahrscheinlich zu teuer?

    4) Wir leben auf dem Land zur Miete, Dienstwohnung, spezielles Setting, hat hier keine Bedeutung. Wir sehen dass ganz viele Häuser unter der Hand zum Nachbarschaftspreis weggehen. Ein alter Mensch stirbt, die Nachbarskinder kaufen das Haus, renovieren. Man kennt sich seit Jahrzehnten, pflegt eine gute Nachbarschaft, vermutet, dass es nie Ärger geben wird. Warum soll man sich dann einen Heini über Immoscout reinholen? In so einem Setting mit Nachbarschaftspreisen ist Kaufen natürlich ein Traum.

    5) Wenn du flexibel bleiben willst, "jederzeit" umziehen zu können, bindet ein Eigenheim natürlich. Aber wenn du weißt, dass du eh im Umfeld bleiben willst, guter Job, Eltern, Freunde sind vor Ort, kann das schon für ein Eigenheim sprechen.


    Am Ende kommt es auf dein persönliches Setting an? Kaufst du günstig oder teuer. Bist du flexibel oder ortsgebunden. Ist dir wichtig im Eigenheim zu wohnen - kann ja auch eine Belastung sein, wenn man alles selbst organisieren und bezahlen muss, was einem sonst der Vermieter abnehmen muss.

  • Ich bin froh nie in eine eigne Immobilie investiert zu haben. Allerdings aus heutiger Sicht als fast Fünfziger. Mit Mitte 20 hatte ich auch noch den Traum/Wunsche vom eigenen Haus. Wohl auch, weil eigentlich alle in meinem Umfeld irgendwie ein eigenes Haus hatten (Eltern, Elternmeiner Freunde, usw.). Ist auf dem Land halt irgendwie normal. Sozialisierung halt. :)


    Was hat zu meinem Sinneswandel geführt?

    Mehrere Jobwechsel/Umzüge, Trennung, die Erkenntnis, das ich eh die Hälfte des Tages gar nicht in meiner Wohnung bin, sondern dass die Wohnung eigentlich mehr eine Schlafstätte ist. ;)

    Die Feststellung, dass wir gerne Wegfahren/Reisen und auch sonst gerne draußen sind. Nachdem das Kind meiner Partnerin ausgezogen ist, unsere kleine Wohnung mehr als groß genug für uns Beide ist.


    Dann sehe ich jetzt meine Eltern. Beide >80 und in Ihrem eigenen Haus. Für die notwendigen Arbeiten (Putzen, Garten, usw.) benötigen Sie inzwischen Hilfe (Kosten). Hilfe, die ich durch die Entfernung nicht geben kann. Das Haus verfällt zusehends, da inzwischen 50 Jahre alt. Es müssten diverse Dinge gemacht werden, nur lohnt es sich für meine Eltern einfach nicht mehr. Von uns Kindern will das Haus eh keiner haben, da wir beide weit weg wohnen.

    Ich hatte meinen Eltern vor über 10 Jahren geraten das Haus zu verkaufen und sich eine betreute, altersgerechte Wohnanlage zu suchen (in unserer Nähe). Mit dem Geld hätten meine Eltern noch Reisen können, usw.

    Aber Nein, das Haus ist unsere Lebensleistung, dass verkauft man doch nicht! Halt eine andere Generation! Irgendwann werden Sie oder einer von Ihnen das Haus wohl aufgeben müssen. Dann wir das Haus eh für die Pflege draufgehen.

    Ein Haus mag im Alter zwar mietfrei sein, aber irgendwann kommen halt Kosten für die Instandhaltung auf. Und ob man im Alter 100 oder 200qm weiter allein instand halten kann, ist auch nicht sicher.

    Wir sind auf jedem Fall froh kein Haus zu haben. Wir hoffen, dass es unsere Gesundheit und die finanziellen Möglichkeiten zulassen, dass wir uns im Ruhestand den Winter über in den Süden absetzen und im Sommer dann verstärkt Reisen können.


    M.E. ist eine selbst genutzte Immobilie eine Frage des Lebensstils. Ich bin ja selbst in einem Haus mit Garten aufgewachsen und sehe da als Familie durchaus Vorteile. Aber, ob man für diese 15-20 Jahre wirklich eine eigene Immobilie braucht!? Kann man machen, muss man aber nicht!

  • Hallo,


    noch ein paar weitere Aspekte pro und Kontra:

    Man hat keinerlei Stress bei Reparaturen, Renovierungen, etc.: Geht etwas kaputt ruft man den Vermieter an

    Der Vermieter ist meistens eine Privatperson und der möchte den Stress eigentlich auch nicht und über die Reparaturkosten ist er auch nicht glücklich. Wenn Privateigentümer das Haus nicht bewohnen können oder wollen, wird es meistens verkauft. Deshalb gibt es nach meiner unvollständigen Übersicht auch recht wenige Häuser (EFH bis RMH) zu vermieten.


    Die Alternative ist also eher Haus im Eigentum oder Miete einer Etagenwohnung, was schon einmal sehr unterschiedliche Lebensstile sind.


    Und wenn ein Haus zur Miete gefunden wird, hat der Mieter es meist mit einer Hausverwaltung mit Haaren auf den Zähnen zu tun. Entweder man streitet ständig oder macht kleinere Reparaturen letztendlich selbst und auf eigene Kosten.

    Wir sehen dass ganz viele Häuser unter der Hand zum Nachbarschaftspreis weggehen.

    Genau das ist auch meine Beobachtung.


    Um auf die Ausgangsfrage zu kommen; m.E. ist letztendlich nur eine emotionale Entscheidung möglich, wenn die objektiven Randbedingungen überhaupt beide Varianten zulassen. Allerdings sehe ich es zunehmend bei den jungen Leuten in meiner Umgebung, dass die exorbitanten heutigen Kaufpreise alle Überlegungen hinsichtlich Eigentums gegenstandslos werden lassen.


    Gruß Pumphut

  • Fernab vom Finanziellen: neugebaute Eigenheime nix gut für die Umwelt auch nicht gut: der Furor in Sachen Konkurrenz/Wettbewerb unter jungen und mittelalten Erwachsenen auf gesellschaftlichen Druck hin, Wohneigentum zu erwerben.


    Früher haben manche von uns aus Gruppenzwang mit dem Rauchen angefangen, heute kaufen sie sich halt eine ETW oder bauen. Im Verteilungskampf verklagen sich nachbarschaftliche Bürger"initiativen" gegenseitig, weil die Besitzstandswahrer keinen Neuen vor ihrer Wiese bauen lassen wollen, und zwar beliebterweise über die Krücke/Kleeblatt Naturschutz. In der Großstadt sind Klagewellen und langwierigen Planungsverfahren ein Riesenproblem.


    Baukindergeld = glasklar eine klimaschädliche Subvention! In einer im internationalen Vergleich gravierend überalternden Gesellschaft fragt sich manch einer, was aus all den Neubauten unserer Zeit in ca. 50 oder 70 Jahren denn nun werden soll?


    Stadtplaner / Raumplaner auf dem Lande wie in der Stadt erkennen seit Jahren, dass all die Eigenheime gar nix für die Umwelt und unser Klima sind und entwickeln längst zielführendere zukunftsorientierte Konzepte, die uns allen Wohlbefinden in effizienteren Eigentumsmöglichkeiten ermöglichen.


    Das Eigentum von heute = der Leerstand von übermorgen?


    Es wird nur noch wenige Jahrzehnte dauern, wenn überhaupt nur 10 Jahre, bis sich viel modernere, günstigere und klimaverträgliche Wohnmöglichkeiten in ganz Europa durchsetzen werden. Das Einfamilienhaus ist schon heute ein Modell von gestern.

  • Zitat

    Stadtplaner / Raumplaner auf dem Lande wie in der Stadt erkennen seit Jahren, dass all die Eigenheime gar nix für die Umwelt und unser Klima sind und entwickeln längst zielführendere zukunftsorientierte Konzepte, die uns allen Wohlbefinden in effizienteren Eigentumsmöglichkeiten ermöglichen.


    Das stimmt, speziell für München kann ich das nur unterschreiben! Wohnungsbaugenossenschaften leisten hier enormes, was die öffentliche Seite leider verbockte. Die Schweiz ist dahingehend richtiger Vorreiter. Tolle Projekte und gelebte gemeinschaftliche Wohnkultur.


    Zitat

    Es wird nur noch wenige Jahrzehnte dauern, wenn überhaupt nur 10 Jahre, bis sich viel modernere, günstigere und klimaverträgliche Wohnmöglichkeiten in ganz Europa durchsetzen werden. Das Einfamilienhaus ist schon heute ein Modell von gestern.

    Ich hoffe es geht schneller, obgleich ich da stark daran zweifle. Gerade die zunehmende Alterung der Gesellschaft sorgt dafür, dass alles so bleibt, wie man es kannte. Die alten Generationen sind mehr und die Demokratien leben von Mehrheiten.

    Leider sieht man dass gerade ganz deutlich bei der Strom- und Mobilitätswende.


    Für uns ist das Thema Wohneigentum total, durch, da die Preise einen nur träumen lassen (in und um München). Obwohl wir es emotional wohl gerne hätten... Wohnungsbaugenossenschaften sind da tolle Alternativen, wenn man sich auf Leute einlässt ;) Gemeinschaft hat aber imho immer mehr Vorteile!

    Ein Verzicht ein Haus zu finanzieren hat auch den Vorteil mehr von der Welt zu sehen und dadurch auch mit etwas offeneren Augen durch die Welt zu wandeln. Ökologisch natürlich auch fraglich, aber das ist eine andere Debatte ;)