Schwarze Schwäne und Geldanlage

  • Hallo!

    Ich habe soeben N. N. Talebs "Der Schwarze Schwan" durchgelesen (uff) und bin nun etwas verunsichert. Er wettert u.a. gegen die Modern Portfolio Theory und schreibt in einem Zusatz am Ende des Buches ("Kapitel VIII: Zehn Prinzipien für Robustheit von Gesellschaften gegenüber Schwarzen Schwänen", ursprünglich in der Financial Times 2009 nach den Explosionen am Markt):

    Zitat

    9. Die Bürger dürfen nicht von Finanzprodukten als Verwahrungsorten für Werte abhängig sein und dürfen sich bei ihrer Alterssicherung nicht auf die fehlbaren Ratschläge von "Experten" verlassen.


    Das wirtschaftliche Leben muss entfinanzialisiert werden. Wir müssen lernen, die Märkte nicht als Lagerhäuser für Werte zu benutzen: Trotz gegenteiliger Ansichten von "Experten" bieten sie nicht die Sicherheiten, die Normalbürger verlangen können. Investitionen sollte man nur aus Spaß tätigen. Die Bürger sollten wegen ihrer eigenen Geschäfte (über die sie die Kontrolle haben) beunruhigt sein, nicht wegen ihrer Investitionen (über die sie keine Kontrolle haben).

    Wenn ich das Buch recht verstehe, läuft das gegen die üblichen Empfehlungen von Stiftung Warentest, Finanztip, Gerd Kommer, etc. Taleb selbst erwähnt die "Hantel-Strategie", in der man z.B. den Großteil seines Vermögens in sichere Staatsanleihen steckt und mit dem restlichen Geld sehr hohes Risiko eingeht. Passt, da er ja Heckenfondsmanager war/ist.


    Nun sitze ich hier und grüble, was das für mich bedeuten sollte :/ Hat jemand Ideen?

  • Hallo.


    Wenn der Experte empfiehlt, nicht auf Experten zu hören, dann wird es schon etwas philosophisch. ;)


    Eine amerikanische Einschätzung auf Deutschland übertragen zu wollen, halte ich insgesamt für gewagt. (Ja, vergleichen kann man alles, auch wenn die Unterschiede überwiegen.)


    Wenn jemand zu 90% sicher anlegt und nur mit 10% wirklich am Markt investiert ist, dann sollte da kein Ruhestand in der herrschaftlichen Villa erwartet werden, zumindest bei einer normalen wirtschaftlichen Ausgangslage.


    Vielleicht muss man das Buch eher als Unterhaltung bzw. Erbauung sehen, weniger als Ratgeber in finanzieller Hinsicht.


    Ich persönlich halte mich da lieber an die Ratschläge von FinanzTip.

  • Nun sitze ich hier und grüble, was das für mich bedeuten sollte

    Finanztip empfiehlt MIschportfolio aus breit gestreuten Aktien-ETF und einem Sicherheitsanteil, klassisch aus Staatsanleihen, aktuell aufgrund Ngeativzins Festgeld-/Tagesgeld. Damit wird die Hantel empfohlen, allerdings je nach Risikoneigung mit anderen Prozentanteilen (Es gibt auch ein konservatives Portfolio mit 0 bzw. 20% Aktien, womit wir dann nahe bei der Original-Hantelverteilung sind).


    Es gibt auch bei den Aktien-ETF ein Restrisiko. Die Empfehlung, den 15-Jahres-Bedarf sicher anzulegen kommt daraus, dass in der Vergangenheit es so lange gedauert hat, bis sich die Märkte von großen Rückschlägen erholt haben. s. die Analysen hier https://www.finanztip.de/geldanlage/#c23366


    Bei den Diskussionen hier im Forum und noch schlimmer bei den diversen Youtubern habe ich nicht den Eindruck, dass die Protagonisten eine derartige Entwicklung auf dem Zettel haben.

  • Das Gerede vom Risiko dient doch in erster Linie der Rechtfertigung von absurd hohen Gewinnen. Wenns ernst wird (z.B. wärend einer globalen Pandemie) muss der sonst so böse Staat ran und die Gewinne sichern. Oder wie definiert der Autor Schwarze Schwäne? Zählt da Corona dazu oder die Bankenkrise 2009?

    Mit der von dir zitierten Textstelle hat er natürlich irgendwo Recht, aber Wert und Sicherheit von Staatsanleihen oder Festgelder sind ja ebenfalls abhängig vom aktuell vorherschenden Wirtschaftssystem und das ist nunmal voll und ganz auf die Bedürfnisse der besitzenden Klasse zugeschnitten. Und die hält nur wenig Staatsanleihen und viel Unternehmensanteile.

    Siehe dazu Saidis Video zu den Superreichen

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  • Vielleicht muss man das Buch eher als Unterhaltung bzw. Erbauung sehen, weniger als Ratgeber in finanzieller Hinsicht.

    Ich sehe es tatsächlich als philosophische Metadiskussion ?

    Oder wie definiert der Autor Schwarze Schwäne? Zählt da Corona dazu oder die Bankenkrise 2009?

    Er sieht beides bestenfalls als graue Schwäne, von einer Pandemie sprach er schon damals. Definition auf https://en.m.wikipedia.org/wiki/Black_swan_theory.


    Ich bin eher wegen den Implikationen seiner These unsicher (15 Jahre Erholung der Märktein der Vergangenheit, aber ob das bis zu meinem Tod so bleibt, weiß ja niemand) und darüber hinaus überrascht, dass er den einschlägigen Experten wie Kommer bekannt ist, aber aber kaum über den Umgang mit den Tierchen gesprochen wird. Am ehesten tut das noch Hartmut Walz in seinen Büchern mit seiner "Tausendfüßlerstrategie". :/ Und es wird noch von allen von der Modern Portfolio Theory gesprochen, die Taleb zerreißt, weil dort von der Vergangenheit auf die Zukunft geschlossen wird...

  • Ich bin eher wegen den Implikationen seiner These unsicher (15 Jahre Erholung der Märktein der Vergangenheit, aber ob das bis zu meinem Tod so bleibt, weiß ja niemand) und darüber hinaus überrascht...

    Und es wird noch von allen von der Modern Portfolio Theory gesprochen, die Taleb zerreißt, weil dort von der Vergangenheit auf die Zukunft geschlossen wird...

    Schon mal darüber nachgedacht, was Dein persönlicher "Schwarzer Schwan" wäre!?


    Ich denke mal, dass der überwiegende Teil der Foristen hier bei FT Geld für die Zukunft sprich Altersvorsorge anlegt. Klar, niemand weiß, ob die vergangen ca. 150 Jahre in der modernen Marktentwicklung sich auch in die Zukunft übertragen lassen.

    Es war halt in der Vergangenheit immer so, dass die Märkte langfristig steigen. Und zwar trotz aller Kriege, Krisen und sonstiger schwarzen Schwäne, die es auf der Welt so gegeben hat.:)

    Wer also 30-40 Jahre Anlagehorizont hat, kann sich m.E. ziemlich sicher sein, dass er über diesen Zeitraum eine positive Rendite erwirtschaftet, sofern es nicht zum ultimativen "Schwarzen Schwan" kommt. Das wäre z.B. ein großer Asteroid, der die gesamte Erde vernichtet/verwüstet. Hat es auch ja schon mal gegeben.

    Stell Dir mal vor, es soll Leute gegeben haben die sich 1929 umbringen wollten, weil Sie viel Geld am Aktienmarkt verloren haben. Ob diese Leute dass 15 Jahre später noch genau so gesehen haben!?

    Blöd nur für die Menschen, die Ihren Gedanken 1929 in die Tat umgesetzt haben. ;)


    Mein persönlicher "Schwarzer Swan" hängt mit Sicherheit nicht von der Entwicklung an irgendwelchen Märkten ab!

  • Schon mal darüber nachgedacht, was Dein persönlicher "Schwarzer Schwan" wäre!?

    Kann ich dir sagen, nachdem er passiert ist ?


    Ich verstehe deinen Gedanken durchaus, und das ist auch mein Ansatz. Ein mulmiges Gefühl hinterlässt es trotzdem. Irgendetwas passiert und dann muss man sich das mit den 30+ Jahre anders überlegen... Vielleicht sollte ich mich weiter um meine Antifragilität oder zumindest Robustheit kümmern :)

  • Irgendetwas passiert und dann muss man sich das mit den 30+ Jahre anders überlegen...

    "Irgendwas" passiert immer. Das ist Leben!

    Ich bin ja nun auch schon fast 50 und kann ganz klar sagen, dass viele Dinge die mir in den ersten 50 Jahren passiert sind, zunächst eher negativ von mir aufgenommen wurden. Im Nachhinein hat es sich Alles dann doch sehr positiv weiter entwickelt. :)


    Um mit dem Philosophen Sören Kierkegaard abzuschließen: "Man kann das Leben nur rückwärts verstehen, aber leben muss man es vorwärts."