"Recht haben" und "Recht bekommen" - wie geht das?
I. Vorab bemerkt;
Bergfex: ich habe nichts von "gesicherter Anschlussfinanzierung" geschrieben, sondern davon, dass diese Frage "geklärt" sein sollte. Wie ich Ihren vorherigen Postings entnehme, geht es bei Ihnen um einen 2013er Vertrag einer Sparda Bank und sind Sie bereits anwaltlich beraten, 'kämpfen' aber noch mit der Rechtsschutzversicherung.
M.E. sollten Sie diese Fragen mit einem Anwalt Ihres Vertrauens besprechen. Kreditwiderrufsrecht ist eine komplizierte Rechtsmaterie, denn die Rechtslage hat sich zig Male geändert, und fast alle relevanten Rechtsfragen sind streitig, d.h. es gibt zu fast keiner Frage eine einheitliche Rechtsprechung.
Kurzum: Es geht m.E. immer darum, die Chancen und Risiken im Einzelfall abzuwägen und unter Berücksichtigung der eigenen Situation (Bonität, finanzielle Reserven, 'Nervernkostüm' etc.) eine Strategie festzulegen und der dann zu folgen. Denn "Recht haben" ist nicht dasselbe wie "Recht bekommen". Bei Rechtsstreiten mit Banken kämpft 'David gegen Goliath', d.h. taktische Fragen und realistische Einschätzungen sind unerlässlich, um nicht am Ende enttäuscht zu sein. Viele sind mit Erfolg den Weg gegangen, es ist also möglich. Aber es kommt darauf an, dass man einen guten Anwalt an der Seite hat, der den Weg 'durch das Dickicht' bahnen kann. Ohne Anwalt etwas zu erreichen, scheint mir selbst für den fleißigsten Laien/Forenleser schwierig.
II.
Zu Finanzierungszusagen ganz allgemein:
Die Bank trifft die Kreditentscheidung immer erst aufgrund eines konkreten Kreditantrags. Vorher sind sog. Finanzierungszusagen nur Wahrscheinlichkeits-Aussagen oder Prognosen, etwa mit folgendem Inhalt: 'Wenn Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse und Ihre Bonität so bleiben wie jetzt, werden wir Ihnen mit mehr als 90% Wahrscheinlichkeit einen Kredit gewähren, wenn Sie das dann in der Zeit der Bindungsfrist der Finanzierungszusage beantragen sollten."
Kurz gesagt: Die Finanzierungszusage ist nicht mehr und nicht weniger als die Aussage einer Bank, dass Sie derzeit für einen Betrag dieser Größenordnung als kreditwürdig angesehen werden. 100% Sicherheit ist das nicht.
Gleichwohl haben wir etliche Mandanten, die vor Erklärung des Widerrufs keine Finanzierungszusage einholen (trotz unserer eingehenden Beratung zu der Frage). Gründe können z.B. sein:
- es ist Vermögen vorhanden, was kurzfristig liquide gemacht werden kann, um ggf. binnen 30 Tagen zahlen zu können
oder
- der Mandant geht davon aus, aufgrund seiner Vermögens- und Einkommenssituation, 'immer für den Betrag X an Kredit gut zu sein'
- etc.
Mit anderen Worten: Eine konkrete Finanzierungszusage ist nicht zwingend, aber sie 'beruhigt die Nerven' und ist wohl auch objektiv ein Stückchen Sicherheit (aber keine 100% Sicherheit). Finanzierungsanfragen können Ihren sog. Scoring-Wert beeinflussen (Details sollten Sie im Zweifel mit einem Finanzierungsspezialisten besprechen).
Wenn dieser Grad an Sicherheit (mit einem durchaus verbleibenden Restrisiko) jemanden nicht genügt, ist das m.E. völlig in Ordnung. Risikobereitschaft ist individuell unterschiedlich. Auch sind finanzielle Möglichkeiten und Reserven unterschiedlich.
Dies alles sind individuelle Faktoren, die m.E. nur in einer individuellen Beratung sinnvoll besprochen werden können. Und das kostet i.d.R. Geld. Rechtsschutzversicherungen bezahlen Erstberatungen oft nicht. M.E. sind aber die üblichen ca. 230 EUR für eine Erstberatung gut investiertes Geld, gerade dann, wenn man ggf. erkennt, dass einem das individuelle Risiko zu hoch ist und man die Sache nicht weiterverfolgen will.
III.
Wenn man weitermachen will, geht das in bestimmten Abschnitten. D.h. man trifft immer eine Entscheidung für ein bestimmtes Stück Weg, verbunden mit bestimmten Chancen und Risiken und bestimmten Kosten. Und dann kann man schauen, wie das Ergebnis dieses Stücks Weg ist und ob man weitermachen will oder nicht.
Wenn Sie einen Anwalt z.B. mit der außergerichtlichen Vertretung beauftragen, ist es meist nicht mehr sinnvoll möglich, zwischendrin den Anwalt zu wechseln; Entsprechendes gilt für jede gerichtliche Instanz. D.h. die Auswahl des Anwalts sollte mit sehr viel Sorgfalt erfolgen. Übliche Abschnitte sind:
- anwaltliche Erstberatung VOR Erklärung des Widerrufs
-
a.
außergerichtliche Vertretung durch einen Anwalt, nachdem die Bank den Widerruf zurückgewiesen oder nicht binnen 30 Tagen anerkannt hat
b.
Klage 1. Instanz
-
Berufung (2. Instanz) und
ggf. auch noch
-
Revision (oder Nichtzulassungsbeschwerde, wenn die Revision nicht zugelassen wurde) = 3. Instanz
Bei jedem dieser Abschnitte können Sie ggf. einen anderen Anwalt beauftragen, wobei das nach der außergerichtlichen Vertretung (2. a.) zur gerichtlichen Vertretung 1. Instanz (2. b.) Sie vermutlich extra Geld kosten wird. (Das liegt daran, dass ein Teil der außergerichltichen Gebühren auf die gerichtlichen Gebühren angerechnet wird. Wenn Sie für die Klage einen neuen Anwalt beauftragen, muss dieser sich neu einarbeiten und wird i.d.R. nicht bereit sein, wegen dieser Anrechnung Geld zu verlieren und wird dementsprechend das Mandat ggf. nur übernehmen, wenn Sie diese eigentlich anzurechnenden Gebühren gleichwohl zahlen; das wiederum wird i.d.R. die Rechtsschutzversicherung nicht tragen. Daher habe ich 2. a. und 2. b. als einen Abschnitt dargestellt.
Wenn Sie die 1. Instanz verloren haben, können Sie aber durchaus überlegen, für die 2. Instanz einen anderen Anwalt zu beauftragen. Aber auch das ist - wie alles andere - eine Frage des Einzelfalls.
IV.
Zum Thema Fernabsatz möchte ich hier keine näheren Ausführungen machen. Das ist rechtlich und hinsichtlich der Details im Einzelfall ein komplexes Thema. Es kann sein, dass die Chancen mit dem Widerruf Erfolg zu haben, steigen, wenn die Bank die besonderen Erfordernisse für Fernabsatzgeschäfte nicht richtig umgesetzt hat. Aber da sich die Rechtslage da diverse Male geändert hat, muss man sich das m.E. immer im Einzelfall anschauen.
Wenn im konkreten Fall eine Belehrung über Fernabsatz erteilt worden ist (manchmal ist das ein gesondertes Blatt, oder es finden sich in der Widerrufsbelehrung/Widerrufsinformation Textpassagen dazu), stellen sich i.d.R. drei Fragen:
- lag überhaupt ein Fernabsatzgeschäft vor? (das ist eine Rechtsfrage, die im Einzelfall nicht so leicht zu beantworten ist)
- ist die Belehrung über die Besonderheiten des Fernabsatzgeschäftes inhaltlich richtig? (und: entspricht sie dem jeweils geltenden Muster - das ist eine zweite Frage, die rechtlich nicht dieselbe Bedeutung hat)
-
stimmen die Belehrungen über das Widerrufsrecht in der "Widerrufsbelehrung"/"Widerrufsinformation" und dem ggf. separaten Merkblatt für Fernabsatzgeschäfte überein? (aus das ist eine im Einzelfall ggf. schwierige Frage)
V. Schlussbemerkung:
Der Kredit-Widerruf-Joker ist eine Chance.
Wo Chancen sind, lockt ein finanzieller Vorteil. (Konkret: i.d.R. Zinsersparnis und Planungssicherheit)
Aber es gibt meist auch Risiken.
Es ist wie mit dem Sprung vom 5-Meter-Brett.
Nicht jeder der es objektiv könnte, tut es. Für mich ist das okay. Nicht jeder kann jede Chance nutzen.
M.E. hilft in der Praxis meist, sich an den o.g. Abschnitten zu orientieren
- Erstberatung durch RA
- außergerichtliche Vertretung durch RA
- Klageweg
- ggf. Anwalt nach 1. Instanz wechseln
Alternativ gibt es bestimmte Anbieter, die gegen einen erheblichen Teil des Erfolgs Fälle übernehmen: Dem weitgehenden Ausschluss des Risikos steht dann ein entsprechend geringerer Vorteil im Erfolgsfalle gegenüber.
Und wie gesagt: Die Chance nicht zu nutzen, ist m.E. auch eine legitime Entscheidung.
Aber um in der Metapher vom 5-Meter-Brett zu bleiben: Wenn man aufs Brett steigt, sollte man irgendwann springen oder zusehen, dass man vom Turm herab steigt.
Wie immer Sie sich individuell entscheiden: Entscheiden Sie sich und stehen Sie dazu.
In diesem Sinne: Alles Gute.
Und wieder der übliche Disclaimer: Alles hier gemachten Ausführungen erfolgen nach bestem Wissen und
Gewissen, aber ohne jede Gewähr. Soweit hier andere Inhalte verlinkt oder in Bezug genommen werden, erfolgt das, ohne sich die anderen Inhalte zu eigen zu machen und unter Ausschluss jeder Gewährleistung.
Allgemeine Ausführungen können niemals eine individuelle rechtliche Beratung ersetzen.