Hallo Finanzius,
Sie haben sich das offenbar schon gut überlegt und sich durch die Einschaltung der Verbraucherzentrale Hamburg eine Einschätzung der Angreifbarkeit der Widerrufsbelehrung geholt. Das ist eine gute Ausgangsposition.
Wie @Henning zu Recht schreibt, haben Sie den weiteren Vorteil, keine Anschlussfinanzierung zu benötigen, das stärkt Ihre Position weiter.
Zu Ihrem konkreten Fall kann ich natürlich nichts sagen. Aber ganz generell möchte ich noch zwei Dinge anmerken:
1.
Die Banken berufen sich inzwischen vermehrt auf "Verwirkung". Das ist ein komplexes Thema, das einige 'Fallstricke' enthält. Man kann die Auffassung vertreten, dass 'die Uhr tickt' ab dem Zeitpunkt, seit dem Sie wissen, dass Sie noch heute ein Widerrufsrecht haben. Dem entsprechend sollte man da m.E. sehr genau überlegen, was man dazu sagt und wann man das tut.
2.
Sobald Sie gegenüber der Bank das Stichwort "Widerrufs-Joker" erwähnen oder in sonst einer Weise auf die ggf. fehlerhafte Widerrufsbelehrung hinweisen, müssen Sie damit rechnen, dass die Bank - und ggf. ein Gericht später irgendwann - diesen Zeitpunkt für rechtlich bedeutsam hält, insbesondere unter dem Gesichtspunkt "Treu und Glauben" (spricht: Verwirkung).
Daher trennen Sie bitte gedanklich zwei völlig unterschiedliche Szenarien:
Szenario 1 - 'ohne Widerrufs-Joker':
Selbstverständlich kann jeder Darlehensnehmer die Bank fragen, wie viel Vorfälligkeitsentschädigung sie denn jetzt ggf. verlangen würde. Wenn Sie über vertragliche Sondertilgungsmöglichkeiten hinaus ablösen wollen, *muss* die Bank das *nicht* akzeptieren, aber eine freiwillige Einigung ist natürlich möglich. Oder wenn Sie jetzt verkaufen würden, *müsste* die Bank sie vorzeitig 'rauslassen, aber könnte dafür eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen.
Szenario 2 - MIT Widerrufs-Joker -
ist rechtlich und taktisch etwas komplett Anderes:
Wenn Sie den Widerrufs-Joker ins Spiel bringen, berufen Sie sich auf ein gesetzliches Recht und machen den ersten taktischen 'Schachzug' in einem *Streit* über die Rechtslage - und der erste - für die Gegenseite sichtbare - taktische Zug sollte immer sehr gut überlegt sein und ggf. erst nach rechtlicher Beratung erfolgen.
tl;dr:
a.
Sobald es um den Widerrufs-Joker geht, sollten Sie überlegen, einen spezialisierten Anwalt hinzu zu ziehen - lieber zu früh als zu spät
b.
Solange es nur um Vorgespräche über eine vorzeitige Sondertilgung und die dafür zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung*) geht, können Sie das ggf. auch ohne Anwalt 'im Hintergrund' machen.
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*) "Vorfälligkeitsentschädigung" sieht das Gesetz vor, wenn die Bank Sie vorzeitig aus dem Vertrag lassen *muss*, z.B. weil Sie Ihr Haus verkaufen. Es gibt dazu gefestigte Rechtsprechung, wie diese "... entschädigung" zu berechnen ist. Es gibt günstige Angebote für die rechnerische Überprüfung der verlangten Höhe - zur Größenordnung: 70 EUR wollen i.d.R. die Verbraucherzentralen dafür haben.
Wenn von "... entgelt" die Rede ist, soll das häufig signalisieren, dass man sich von der gesetzlichen Vorgabe entfernt, weil man in einem Bereich ist, wo man nicht gesetzlich zwingendem Recht folgt, sondern frei ausgehandelte Vereinbarungen trifft. Hier darf die Bank zwar nicht völlig 'überziehen', aber sie darf grundsätzlich versuchen, Ihnen das Akzeptieren eines viel höheren "... entgelts" 'unterzujubeln' als nach dem Gesetz errechnet würde.
Bevor Sie also zu irgendetwas "Ja" sagen oder gar etwas unterschreiben, sollten Sie sich vergewissern, dass Sie genau wissen, wo Sie stehen und was Sie da gerade rechtlich tun.