Hallo,
da ich vor ein paar Jahren (leider) auch mit dem Erbrecht zu tun hatte, kann ich vielleicht ein paar Ratschläge beisteuern. Ich versuche es einfach mal.
Es gibt hier gleich mehrere Gründe, sich in dieser Sache von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen:
Einerseits geht es um nennenswerte Summen.
Andererseits kann der Familienfrieden durch einen Erbstreit beeinträchtigt werden. Selbst wenn es vorher schon Streit gab, Erbstreitigkeiten können alles noch sehr viel schlimmer machen - eine persönliche Erfahrung. Entweder jemand fühlt sich benachteiligt. Oder jemand empört sich über eine -vermeintlich oder tatsächlich- viel zu hohe Forderung oder ein viel zu niedriges Angebot eines Verwandten.
Und nicht zuletzt kommt es beim Erbrecht auf viele Kleinigkeiten an, die nur mit den vollständigen Unterlagen zu beantworten sind.
Deswegen empfehle ich eine qualifizierte, individuelle Rechtsberatung bei einem Rechtsanwalt. Falls eine Rechtsschutzversicherung besteht: Manche Versicherungen übernehmen sogar bestimmte Beratungsleistungen nach einem Erbfall, Nachfragen zahlt sich aus. Die eventuellen Briefwechsel und Gerichtsverfahren werden nach meiner Kenntnis leider nicht übernommen.
Der Nachlass ist das hinterlassene Vermögen, einschließlich der Verbindlichkeiten §1922 BGB
So wie ich die Beschreibung verstehe besteht der eigentliche Nachlass überwiegend aus Verbindlichkeiten.
- Positiv ist das Bankguthaben von 10.000 Euro
- Die erwähnte Hypothek von 40.000 Euro ist vermutlich nur die im Grundbuch eingetragene Belastung und nicht die Höhe des ausstehenden Darlehens? In diesem Fall handelt es sich nur eine Absicherung für die Bank. Weil auch kein Immobilienvermögen im Nachlass ist, haftet noch nicht mal ein Gegenstand aus dem Nachlass für die Schulden. Wenn diese Vermutungen richtig sind, gehört diese Summe von 40.000 Euro nicht als Verbindlichkeit zum Nachlass.
- Zum Nachlass zählt das Darlehen in Höhe von 10.000 Euro sowie die Zinsen zum Zeitpunkt des Erbfalls. Wann eine Kündigung erfolgen könnte ist nach meiner Kenntnis nicht relevant.
- Wenn mit dem Schenkungsabschlag die Ermäßigung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach §2325 BGB gemeint ist, gehört dieser Betrag nicht zum Nachlass. Das ist nur der Betrag, der nicht mehr in den Pflichtteilsergänzungsanspruch einfließt.
- Das Wohnrecht ist vermutlich eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit §1093 BGB und wäre damit nicht vererblich. Wenn diese Vermutung richtig ist, gehört das Wohnrecht nicht zum Nachlass
- Die Nebenkosten von 4.000 Euro werden aus dem Nachlass bezahlt
Was mir spontan (und außerhalb der Fragestellung) auffällt: Warum sollte die Alleinerbin S das Erbe antreten? Dem Bankguthaben von 10.000 Euro stehen ca. 14.000 Euro Schulden und Kosten gegenüber, wenn ich die Angaben zur Hypothek missverstanden habe sind es sogar über 54.000 Euro Schulden.
Ist vielleicht noch etwas Wertvolles im Nachlass enthalten? Wertvolle Möbel, Münzen, Briefmarken oder ähnliches? Gibt es ein Verzeichnis, in dem die Vermögensgegenstände aufgelistet sind?
Allgemein gesagt wird durch den Pflichtteilsergänzungsanspruch der Pflichtteilsberechtigte so gestellt, als wäre die Schenkung nicht erfolgt, abzüglich des jährlichen 10%-igen Abschlags nach der Leistung des Gegenstands. Der Pflichtteil berechnet sich dann auf Basis des Nachlasswertes plus dem Wert des verschenkten Gegenstands zum Zeitpunkt des Erbfalls (abzüglich jährlichem Abschlag). Wenn ein geringerer Wert des Gegenstands zum Zeitpunkt der Schenkung nachgewiesen wird, wird nur der geringere Wert angesetzt (wiederum abzüglich des jährlichen Abschlags). Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des Erbteils bei gesetzlicher Erbfolge. Wenn es nur drei gleichermaßen erbberechtigte Kinder gibt, so beträgt der Pflichtteil ein Sechstel. Soweit die Theorie, die sich total simpel anhört.
So ganz einfach ist der Anspruch leider nicht zu berechnen. Z.B. wann der Gegenstand geleistet wurde hängt von den genauen Vereinbarungen der Schenkung ab und muss individuell beurteilt werden. Wurde die Immobilie ohne jede Einschränkung und vorbehaltslos übertragen? Wie hoch ist die Schenkung noch, wenn man den Wert eventueller Vorbehalte oder Einschränkungen berücksichtigt? Ich komme auf diese Fragen wegen des erwähnten Wohnrechts, dass sich vielleicht auf die geschenkte Immobilie bezieht.
Es ist auch möglich, dass in der Schenkungsvereinbarung weitere Bestimmungen enthalten sind, die für den Pflichtteilsergänzungsanspruch relevant sein könnten. Vielleicht sind sogar weitere Gegenleistungen vereinbart, aber nicht wertmäßig beziffert, wie z.B. die Pflege im Falle der Pflegebedürftigkeit?
Da Opa W Witwer war könnte es z.B. auch eine Rolle spielen, ob die Immobilie im (Teil-)Eigentum seiner Frau gestanden hat und wann seine Frau verstorben ist. Denn Pflichteilsansprüche sind vererblich, können aber verjähren.
Dies alles könnte z.B. bei der Beratung mit einem Rechtsanwalt geklärt werden. Den Schenkungsvertrag muss B nach meiner Kenntnis auf Aufforderung vorlegen. Da es sich um eine Immobilie handelt, dürfte die Schenkung sogar notariell beurkundet worden sein.
Zuletzt möchte ich nochmal darauf hinweisen, dass ich hier nur beispielhafte Ratschläge aufgrund meiner persönlichen Erfahrung geben möchte und eine individuelle, qualifizierte Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt empfehle.
Und ich hoffe, dass eine Einigung im gegenseitigen Einverständnis möglich ist.
viele Grüße
erdnuss