ich lese seit Jahren Ihren Newsletter, den ich sehr schätze. Nun muss ich Ihnen aber doch einmal schreiben, denn der Artikel "Bahn oder Auto: So viel kostet Dich das Pendeln wirklich" ist wirklich der schlechteste, den ich je bei Ihnen gelesen habe, da er mit objektivem Kostenvergleich Bahn vs Auto nichts zu tun hat.
Statt in zwei verschiedenen Szenarien zwei unterschiedliche Strecken zu vergleichen, wäre es sinnvoller gewesen, einen realistischen Auto-Kosten-Case zu rechnen, statt mit den ADAC-Kosten eines Neuwagens zu hantieren. Die meisten Leute kaufen Gebrauchtwagen, deren durchschnittliches Alter (beim Kauf) war im Jahr 2020 rund 5,6 Jahre (Quelle Statista), die ADAC-Kostenrechnung betrachtet aber nur die ersten 5 Jahre ab Erstzulassung, wo der Wertverlust, der den Löwenanteil der Kosten im Szenario ausmacht, am höchsten ist. Das hier anzusetzen, was für die meisten Leute nicht der Realität entspricht, ist doch eine bewusste Schlechtrechnung des Autos.
Ich kann Ihnen da genausogut ein umgekehrtes Szenario rechnen, bei dem das Auto sehr viel besser aussieht: Ich habe einen Citroen C-Zero im Auto-Abo von e-flat gemietet, der kostet 80 Euro/Monat all-in, zzgl. Stromkosten für's Aufladen. 5000 km im Jahr sind inklusive. Strom kommt in den meisten Monaten vom Dach (Kosten durch entgangene Einspeisevergütung der PV: 12 cent/kWh), der Rest aus dem Netz zu 32 Cent/kWh. Nehmen wir als Mittel 20 cent/kWh, der Wagen verbraucht 14 kWh pro 100km, macht 2,8 Cent/km an Strom. Dazu die 80 Euro/Monat auf die 5000 km/Jahr gerechnet macht 19,2 cent/km + 2,8 Cent (Strom) = 22 Cent/km. Und schon gewinnt in beiden Fällen das Auto. Dazu kommt, dass man außer der Zeit auch einen Komfortgewinn hat und man für seine Freizeit auch noch einen Wagen vor der Tür stehen hat.
Weiterer Fall: Leasing-E-Auto für 100 EUR/Monat, Stromkosten identisch zu oben, mit Versicherung und Inspektionen ca. 25 cent/km.
Noch ein interessanter Fall: Dienstwagen, der durch Gehaltsumwandlung/geldwerter Vorteil 450 EUR/Monat Fixkosten hat, wenn er nur vor dem Haus steht und nicht bewegt wird (Verbrenner, E-Auto hätte weit niedrigere Fixkosten). Dazu kommen pro km 11 Cent brutto, die der Arbeitgeber berechnet, dafür ist Tanken per Tankkarte inklusive. Das Auto ist sowieso da, da für Familienfahrten, Urlaub etc. benötigt, d.h. bei der Entscheidung pro/contra pendeln per Auto sind nur die 11 Cent brutto relevant. Dagegen müsste man natürlich rechnen, dass ein 49-Euro-Ticket auch "eh da" ist, da am Wochenende o.Ä. benötigt, also gerne mit 0 Euro Ticketkosten ansetzen. Trotzdem gewinnt dann bei Ihrem Vergleich der Dienstwagen.
Seriös wäre in dem Artikel also gewesen, auszurechnen, ab welchen km-Kosten das Auto teurer ist und ein paar Beispielrechnungen für Autos (wie oben) anzufügen, die unter oder über dieser Schwelle liegen.
Ein anderes Problem haben Sie bei der Bahn auch weggelassen: Sie müssen zusätzliche Zeit einplanen, um die Bahn nicht zu verpassen, sowie einkalkulieren, dass die Bahn nicht genau dann fährt, wenn Sie gerade los wollen. Daher ein anderes Szenario aus meinem Alltag:
- Pendelstrecke 14 km, Auto: 15 Minuten (ohne Verkehr), 20 Minuten (bei normalem Berufsverkehr), Tür zu Tür. Bahn: 40 Minuten Tür zu Tür (7 Minuten zur U-Bahn laufen, 3 Minuten warten, 25 Minuten fahren, 5 Minuten zur Arbeit laufen), zzgl. im Schnitt 10 Minuten Verlust, weil die Bahn nur alle 20 Minuten fährt! Ohne Gleitzeit ist das ein realer Verlust, wer Gleitzeit im Job hat, muss sich dann immernoch nach der Bahn richten, was einen zusätzlichen Stressfaktor darstellt.