Hallo,
wollte hier mal die Rückmeldung des Ombudsmannes mitteilen:
Schlichtungsvorschlag:
I.
Der Antragsteller hat bei der Antragsgegnerin ein
Konto, das ursprünglich entgeltfrei geführt wurde. Er beanstandet die mangels
ausdrücklicher Zustimmung nicht rechtswirksame Einführung und Erhöhung
von Kontoführungsentgelten und verlangt ab dem Jahr 2018 eine Erstattung
in Höhe von 169,78 € nebst Nutzungsersatz.
Die Bank tritt dem Anspruch teilweise entgegen, denn sie hält lediglich eine Erstattung
von 12,20 € für gerechtfertigt. Sie beruft sich im Übrigen auf die Rechtsprechung
des BGH zur sog. Dreijahreslösung.
Das akzeptiert der Antragsteller nicht und erläutert seine Forderungsberechnung.
II.
Der Schlichtungsantrag ist zulässig und in der Hauptsache
begründet, weshalb die Bank insoweit in vollem Umfang erstatten sollte.
Den Anspruch auf Nutzungsersatz kann ich nicht befürworten.
1.
Dem Antragsteller steht ein bereicherungsrechtlicher
Erstattungsanspruch im Sinne von § 812 Abs. 1 BGB zu, weil die streitigen
Entgelte ohne Rechtsgrund geleistet worden sind.
Nach der Rechtsprechung
des BGH (Urteil vom 27.4.2021 – XI ZR 26/20 -, juris) unterliegen Allgemeine
Geschäftsbedingungen (AGB) zur Annahme einer stillschweigenden Zustimmung
des Bankkunden zu Vertragsänderungen, die nicht nur Anpassungen von einzelnen
Details der vertraglichen Beziehungen zum Gegenstand haben, sondern eine
fingierte Zustimmung des Kunden für sämtliche Geschäftsbeziehungen und
ohne inhaltliche oder gegenständliche Beschränkung für jede vertragliche
Änderungsvereinbarung vorsehen, der Inhaltskontrolle. Danach sind sie im
Verkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
Die von der Bank
verwendeten AGB haben in Ziff. 1 (2) unstreitig einen Änderungsmechanismus
mit einer solchen umfassenden Zustimmungsfiktion im Sinne der BGH-Rechtsprechung
vorgesehen. Diese Bestimmungen sind insgesamt unwirksam und keiner Aufspaltung
in gerade noch wirksame und unwirksame Vertragsbestandteile zugänglich
(vgl. BGH a.a.O.).
Unstreitig wurden
die streitigen Erhöhungen nach zunächst unentgeltlicher Kontoführung ohne
ausdrückliche Zustimmung des Antragstellers eingeführt und berechnet. Sie
sind also ohne Rechtsgrund geleistet worden. In welchem Umfang dies geschehen
ist, liegt auch für die Bank auf der Hand und ist vom Antragsteller nachvollziehbar
aufgezeigt worden.
2.
Dass seitens des Antragstellers später ausdrücklich
oder durch schlüssiges Verhalten erklärt wurde, die geänderte Entgeltberechnung
akzeptieren zu wollen, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Die Bank
hat keine Tatsachen dargetan, die einen solchen Erklärungswillen zeigen.
Eine Vertragsänderung
ist insbesondere nicht schon dadurch zustande gekommen, dass das Angebot
zur Vertragsänderung etwa durch die bloße Fortsetzung der Geschäftsbeziehung
angenommen worden wäre. Mit einer solchen Annahme würde die Rechtsprechung
des XI. Zivilsenats des BGH auf den Kopf gestellt. Eine zentrale Aussage
in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs besagt, dass ein bloßes Stillschweigen
in der Regel überhaupt keinen Erklärungswert hat. Für das Zustandekommen
vertraglicher Vereinbarungen bedarf es vielmehr übereinstimmender Willenserklärungen
im Sinne von §§ 145 ff. BGB, die nicht durch eine umfassende Zustimmungsfiktion
ersetzt werden können.
Diese Aussage
würde komplett in ihr Gegenteil verkehrt, wenn allein dem anhaltenden Stillschweigen
eines Bankkunden dann doch wieder der Erklärungswert einer Zustimmung beigemessen
werden sollte. Welche Umstände ab welchem Zeitpunkt nach einer zunächst
fehlgeschlagenen Zustimmungsfiktion gleichwohl eine Vertragsänderung bewirken
sollten, wird nicht greifbar.
Bloßes Schweigen
gewinnt auch durch sein Andauern nicht die Qualität einer Willenserklärung.
Das Gegenteil ist der Fall, denn mit zunehmendem Zeitablauf verliert sich
der ursprüngliche Anlass, das Angebot zu einer Vertragsänderung, zunehmend
aus Blickfeld. Je länger dies zurückliegt, desto ferner liegt auch ein
Zustimmungswille des Kunden. Die bloße Nutzung der Konten hat keinen Erklärungswert
dahin, irgendwelche (Mehr-) Entgelte akzeptieren zu wollen.
3.
Die sog. „Dreijahreslösung“ kann ebenfalls nicht
zugunsten der Bank durchgreifen. Der BGH hat zwar (u. a. mit Urteil vom
5.10.2016 – VIII ZR 241/15 –, juris, m.w.N.) entschieden, dass bei langjährigen
Energielieferungsverträgen, bei denen der Kunde längere Zeit Preiserhöhungen
unbeanstandet hingenommen hat und nun auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte
die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, die durch die
Unwirksamkeit oder die unwirksame Einbeziehung einer Preisanpassungsklausel
entstandene Regelungslücke regelmäßig im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung
dadurch zu schließen ist, dass der Kunde die Preiserhöhungen, die zu einem
den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend
machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren
nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnungen, in der die Preiserhöhung
erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat. Der BGH hat dies so
begründet, dass ohne eine ergänzende Vertragsauslegung aufgrund des Wegfalls
des die Vertragsstruktur prägenden und für den Vertragsbestand essentiellen
Preisanpassungsrechts ein auch nach objektiven Maßstäben schlechterdings
untragbares Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung bestünde
mit der Folge, dass der Energielieferungsvertrag sowohl gemäß § 306 Abs.
3 BGB insgesamt unwirksam wäre als auch im Sinne des Art.
6 Abs. 1 Halbs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG (Klausel-Richtlinie) nicht bestehen
könnte.
Diese Argumentationslinie
lässt sich nicht ansatzweise auf Verträge der hier zugrundeliegenden Art
übertragen. Schon im ersten rechtlichen Zugriff ist vielmehr festzuhalten,
dass eine ergänzende Vertragsauslegung vorliegend nicht deshalb geboten
sein kann, weil die bankvertraglichen Vereinbarungen ansonsten insgesamt
nach § 306 Abs. 3 BGB unwirksam
wären. Zur etwaigen Gesamtunwirksamkeit von Verträgen hat der BGH in der
hier einschlägigen grundlegenden Entscheidung (Urteil vom 27.4.2021 –
XI ZR 26/20 -, juris) kein Wort verloren, sondern lediglich die Unwirksamkeit
der Änderungsklausel festgestellt. Das hat entsprechend der allgemeinen
Vorgabe in § 306 Abs. 1 BGB zur
Folge, dass der Vertrag im Übrigen wirksam bleibt. Eine ergänzende Vertragsauslegung,
die gleichsam der „Rettung“ des gesamten Vertrags dienen müsste, ist
daher schon im Ansatz obsolet.
Selbst wenn zu
unterstellen wäre, dass der XI. Zivilsenat des BGH (a.a.O.) nicht veranlasst
war, sich auch zur Gesamtunwirksamkeit von Verträgen mit dem fraglichen
AGB-Änderungsmechanismus zu erklären, wäre eine solche hier auszuschließen.
§ 306 Abs. 3 BGB setzt das Vorliegen einer unzumutbaren Härte voraus, wenn
bei Unwirksamkeit einer Klausel im Übrigen am Vertrag festgehalten würde.
Es müsste sich bei der Änderungsklausel also auch vorliegend um ein essentielles
Anpassungsrecht handeln, wie es der BGH (Urteil vom 5.10.2016 – VIII ZR
241/15 –, juris) angenommen hat, um auf dieser Grundlage (ohne eine gebotene
ergänzende Vertragsauslegung) zur Annahme der Gesamtunwirksamkeit zu gelangen.
Das liegt hier indessen fern.
Es geht vorliegend
nicht um langfristige Energielieferungsverträge mit spezifischen Kostendeckungsmechanismen
und erst recht nicht um eine durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließende
Regelungslücke. Eine Vertragslücke liegt hier überhaupt nicht vor, denn
es bestand ein vollständiger Vertrag, der eben eine unentgeltliche Kontoführung
vorsah. Bei ausbleibender oder unwirksamer Vertragsänderung gilt der Vertrag
mit diesem Inhalt fort.
Es kann auch
im Übrigen kein essentielles Anpassungsrecht angenommen werden. Die unentgeltliche
Nutzung von Konten umschreibt vielmehr eine weithin übliche und immer noch
anzufindende Vertragspraxis. Eine unzumutbare Härte im Sinne von § 306
Abs. 3 BGB geht daher mit dem Andauern einer solchen Regelung nicht einher.
Auch im Übrigen wird eine gleichsam den gesamten Vertrag tragende Bedeutung
des Änderungsmechanismus nicht greifbar. Die Stellungnahme der Bank hat
hierfür nichts aufgezeigt.
Die Bank sollte
daher die berechneten Entgelte für die nicht verjährte Zeit erstatten.
4.
Ein Anspruch auf Nutzungsersatz im Sinne von § 818
Abs. 1 BGB wird nicht befürwortet.
Die von der Rechtsprechung
früher zugrunde gelegte Annahme, dass die Bank aus ihr zugeflossenen Geldern
Nutzungen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ziehe (vgl.
z.B. BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 – XI ZR 79/97 –, juris), hat angesichts
der zwischenzeitlichen Zinsentwicklung keine tragfähige Grundlage mehr,
weil die Zinsen im Allgemeinen dauerhaft weit unter dieses Niveau gesunken
sind. § 818 Abs. 1 BGB erfasst auch nicht die bloße (abstrakte) Gelegenheit
zur Ziehung von Nutzungen, deren Ziehung zwar möglich war, tatsächlich
aber unterblieben ist (vgl. Martinek/Heine in: Herberger/Martinek/ Rüßmann/
Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 818 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn.
12). Da im Zusammenhang mit bankvertraglichen Leistungen zusätzlich in
Rechnung zu stellen ist, dass Entgelten wirtschaftlich auch ein konkreter
Leistungsaufwand auf Seiten der Bank als Gegenleistung gegenübersteht,
bleibt für die Vermutung gezogener Nutzungen praktisch kein Raum mehr.
Auch der BGH verlangt nunmehr vom Anspruchsteller einen konkreten Tatsachenvortrag,
der nicht ohne Bezug zur tatsächlichen Ertragslage des Anspruchsgegners
auf die bloße Vermutung einer Gewinnerzielung gestützt werden kann (BGH,
Urteile vom 29. April 2020 – IV ZR 5/19 –, Rn. 16, juris; vom 19. Dezember
2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 20 m.w.N.). Eine Schätzung im Sinne
von § 287 ZPO (analog) ist mangels tauglicher Schätzgrundlagen nicht möglich.
Der Antragsteller
sollte diesen Anspruch nicht weiterverfolgen. Es dürfte schwierig bis unmöglich
sein, gezogene Nutzungen für die laufend berechneten Kleinbeträge zu spezifizieren.
Bei den Verzugszinsen geht es letztlich um 15 Euro. Daher habe ich dem Schlichtungsspruch heute zugestimmt. Mal sehen, wie die Bank reagiert...