Sehr geehrter Herr Beck,
kontroverse Diskussionen sind in einer Demokratie der Normalfall und für die Meinungsbildung wichtig und notwendig, weswegen ich Ihre Ausführungen mit Bedacht zur Kenntnis genommen und darüber nachgedacht habe.
Ungeachtet dessen vermag ich auch nach längerem Nachdenken Ihre Ausführungen in Ihrem Ursprungsbeitrag nicht zu teilen.
Soweit Sie denjenigen Bausparern, die ihren Bausparvertrag trotz Zuteilung derzeit nicht abrufen, unterstellen, ihren Vertrag lediglich als zinsgünstige Geldanlage zu nutzen, sei zunächst die Frage erlaubt, wie Sie zum einen darauf kommen und zum anderen dies beweisen wollen.
Aber selbst wenn man unterstellt, dass Ihre Aussage zutreffend wäre, sei der dezente Hinweis erlaubt, dass sowohl Sie als auch die Bausparkassen sich daran nicht stören könnten, denn Letztere selbst sind es doch, die ihre Bausparverträge bis heute als eine ideale Sparform und Vermögensvorsorge darstellen und als Geldanlage anpreisen.
Zudem ist es doch so, dass selbst nach Ansicht der Bausparkassen eine Anlage des Kapitals, also eine zinsgünstige Geldanlage (u.a.) dem ursprünglichen Vertragszweck entspricht. Dies muss schon deshalb angenommen werden, weil Bausparkassen wie z.B. die LBS auf ihrer Internet Homepage Bausparverträge mit folgenden Aussagen
„Bausparen als Geldanlage“
,„Bausparen als Geldanlage - Ihre Vorteile“ und sogar als
„Geldanlage ohne Risiko“ mit
„Sicheren Zinsen für die gesamte Laufzeit“ und
„Erhöhte Rendite durch staatliche Förderungen…“
geradezu massiv als Geldanlagen angepriesen haben.
Dies gilt selbst noch heute für die LBS Baden - Württemberg, die auf ihren Internet Homepageseiten mit
„Sicheres Sparen ohne Risiko“,
"Sichere Zinsen für die gesamte Laufzeit“
„Entscheiden Sie flexibel, wann Sie Ihr Bauspardarlehen in Anspruch nehmen möchten“,
„Bausparen für die Altersvorsorge“,
„Ihre Ersparnisse sind im Bausparvertrag sicher“
„…eine sichere Geldanlage“
ihre Bausparverträge ebenfalls als Geldanlage anbietet.
Die Tatsache, dass z.B. die LBS Tarife angeboten hat, die die vorgenannten Zusätze beinhalten und Bausparverträge als rentable Geldanlage anpreist, widerspricht dem ausschließlichen Vertragszweck, ein Darlehen zu erlangen. Für diese Auslegung spricht zudem auch, dass der Preis für den Abschluss eines Bausparvertrags von der Bausparsumme abhängt und nicht vom für die Zuteilung erforderlichen Mindestsparguthaben.
Zudem ist den meisten Allgemeinen Bestimmungen für Bausparverträge (ABB) - so auch den meinen - folgendes zu entnehmen:
Aus dem Bausparvertrag erwirbt der Bausparer auf der Grundlage dieser Allgemeinen Bedingungen durch Sparleistungen den Anspruch, aus den angesammelten Beträgen der Bausparer ein unkündbares, im Regelfall durch ein zweistelliges Grundpfandrecht zu sicherndes Tilgungsdarlehen (Bauspardarlehen) zu erhalten.
§ 9 Kündigung des Bausparvertrages
Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Pflichten erfüllt.
§ 11 Voraussetzungen und Reihenfolge der Zuteilung
Nach Vorliegen der Zuteilungsvoraussetzungen fragt die Bausparkasse beim Bausparer an, ob er die Zuteilung wünscht. Die Zuteilung erfolgt, wenn der Bausparer innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Anfrage schriftlich erklärt hat, dass dies der Fall ist.
§ 14 Vertragsfortsetzung
Gibt der Bausparer auf Befragen nicht fristgemäß die Erklärung ab, daß er die Zuteilung wünscht (§11 Abs. 1), oder verzichtet er auf die Zuteilung oder wird die Zuteilung widerrufen(§13 Abs. 3), wird der Bausparvertrag fortgesetzt.
…
Den vorgenannten Bedingungen vermag ich weder ein Kündigungsrecht der Bausparkasse zu entnehmen, noch, dass ich den Bausparvertrag zu einem bestimmten Zeitpunkt abrufen muss. Im Gegenteil, die ABB schließen ein Kündigungrecht der Bausparkasse aus ( § 9 ABB ) und gewähren mir die Fortsetzung des Vertrages auf unbestimmte Zeit (§ 14 ABB).
Zudem verweise ich auf die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge Tarif Classic Stand: Juli 2014
wo die Landesbausparkasse Baden – Württemberg vor § 1 folgendes ausführt:
Präambel: Inhalt und Zweck des Bausparens
Durch den Abschluss eines Bausparvertrages wird der Bausparer Mitglied einer Zweckspargemeinschaft. Am Beginn steht dabei die Sparphase, also ein Leistung des Bausparers zugunsten der Gemeinschaft. Damit erwirbt der Sparer grundsätzlich das Recht auf eine spätere Gegenleistung in Form des zinsgünstigen Bauspardarlehens.
...[/b]
Diese Ausführungen sprechen für sich und bedürfen eigentlich keinerlei Kommentierung, da sie an Deutlichkeit und / oder Klarheit nicht zu übertreffen sind. Zudem stellen sie einen weiteren Grund dar, warum die Bausparkasse die Verträge nicht kündigen kann.
Im Übrigen ist der Bausparvertrag ein Vertrag mit der Bausparkasse, durch den der Bausparer nach Leistung von Bauspareinlagen einen Rechtsanspruch auf die Gewährung eines Bauspardarlehens erwirbt ( § 1 Abs. 2 BauSparkG ).
Selbst wenn man die derzeit uneinheitliche Rechtsprechung der Amtsgerichte und Landgerichte außen vor lässt, kann man Ausführungen in einem Urteil des Bundesgerichtshof ( BGH ) nicht wegdiskutieren.
Der BGH hatte in seinem Urteil v. 07.12.2010, Az.: XI ZR 3/10, über eine Allgemeine Geschäftsbedingung eines Bausparvertrages zu befinden. Dort hat er sich auch mit der rechtlichen Einordnung eines Bausparvertrages beschäftigt. Der Bausparer erwirbt nach Ansicht des BGH zumindest eine Anwartschaft auf Gewährung eines Darlehens:
"Unabhängig davon, ob man hinsichtlich der rechtlichen Konstruktion davon ausgeht, dass der Darlehensvertrag bereits mit dem Bausparvertrag aufschiebend bedingt geschlossen wird (m.w.N.), oder ob man annimmt, dass der Bausparvertrag i.S. eines Vorvertrages nur einen Anspruch auf Abschluss eines späteren Darlehensvertrages begründet, hat die Beklagte ihren Kunden jedenfalls bereits bei Abschluss des Bausparvertrages eine entsprechende Anwartschaft verschafft.“
Die Option, diese Anwartschaft in Anspruch zu nehmen besteht daher in den Fällen wo Bausparverträge nicht voll bespart sind in jedem Fall, was aus Sicht von uns Bausparkunden eine Kündigung durch die Bausparkassen ausschließt.
Der Bundesgerichtshof sprach in seinem Urteil weiterhin zutreffend davon,
„dass der Bausparer eine Option erwirbt, später ein Darlehen ohne Rücksicht auf die Zinsentwicklung am Kapitalmarkt zu einem bei Abschluss festgelegten Zinssatz zu erhalten“.
Die Kündigung der Bausparkassen soll diese Option vernichten, obwohl sie ohne zeitliche Beschränkung vereinbart und durch den Bausparkunden bereits vollständig bezahlt wurde.
Bei alledem kann man auch nicht unerwähnt lassen, dass die Bausparkassen § 489 nicht für sich streiten lassen können. Gegen dessen Anwendung spricht, dass es sich bei § 489 BGB wie bei der Vorgängervorschrift des § 609a BGB um eine speziell verbraucherschützende Bestimmung handelt, die also nach Sinn und Zweck nicht zugunsten der Bausparkassen und / oder Kreditinstitute eingreifen kann.
In diesem Zusammenhang sei auch auf folgendes hingewiesen:
Bietet ein Vertragspartner in seinen Verträgen eine feste Verzinsung an, so ist er nach den Grundsätzen des Gesetzes hieran gebunden und hat das daraus resultierende Risiko zu tragen. Hierdurch entsteht kein willkürliches Missverhältnis, das einer Korrektur bedarf. Die Bausparkassen haben die Vertragsbedingungen und Höhe der Zinsen selbst festgelegt und angeboten. Sie hätten sich ohne weiteres ein ordentliches Kündigungsrecht vorbehalten können, was sie jedoch nicht getan haben. Die Zusage und Gestaltung der festen Verzinsung fällt in den Bereich der Vertragsfreiheit. Die Bausparkassen müssen sich daher an den von ihnen geschlossenen Verträgen nach dem Grundsatz „pacta sunt servanda“ festhalten lassen.
Vor dem Hintergrund des substantiiert dargelegten Sachverhalts bezweifle ich, dass die bislang zu Gunsten der Bausparkassen ergangenen Urteile einer Überprüfung durch den BGH standhalten.
Darüber hinaus habe zumindest ich unter Berücksichtigung der für mich streitenden Ausführungen in den ABB`s sowie u.a. § 1 Abs. 2 und § 5 Abs. 3 Nr. 7 Bausparkassengesetz ( BauSparkG ) kein schlechtes Gewissen, meinen Bausparvertrag derzeit noch nicht abzurufen, weshalb ich den Gang durch die Instanzen nicht scheue.
Insgesamt betrachtet empfinde ich Ihre Ausführungen - ohne Ihnen nahe treten zu wollen - als unsubstantiiert und sehr gewagt.
Freundliche Grüße
Betroffener 2015