Kann es sein, dass hier überwiegend von Erfolgen der Kläger (Darlehnsnehmer) berichtet werden ? Ich wurde heute auf zahlreiche Urteile verwiesen, in denen die Klage abgewiesen wurde.
Sobald ein RA den Widerruf einlegt, ist zumindest die 1. Gebühr für eine außerordentliche Einigung fällig oder ?
Sollte man nicht in jedem Fall versuchen, persönlich eine Einigung zu erzielen. Gerade bei längjährigen Geschäftsbeziehungen die eigentlich nicht beendet werden soll ?
Selbstverständlich wird hier überwiegend von Erfolgen berichtet, Finanztip ist schließlich ein Verbrauchermagazin.
Ich war bis vor kurzem bei einem Rechtsanwalt tätig und habe Widerrufsfälle für die Bankenseite bearbeitet, sprich: Mich mit der Abwehr von Ansprüchen gegen unterschiedliche Banken und Sparkassen beschäftigt. Soviel aus der Praxis: Bei einem Großteil der Fälle kam es gar nicht erst zu Klagen, weil unsere Mandanten die Ansprüche bereits vor Klageerhebung abgewehrt haben. Und die Fälle, in denen es zu Klagen kam, wurden größtenteils verglichen. Die Vergleiche laufen im Regelfall auf einen teilweisen Verzicht der Vorfälligkeitsentschädigung raus. Nur in einem Bruchteil der Fälle kam es zu Urteilen. Und diese Urteile sind höchst unterschiedlich. Ob der Kläger obsiegt, hängt im Wesentlichen davon ab, welche Widerrufsbelehrung verwendet wurde und welches Gericht zuständig ist/wie verbraucherfreundlich das nächstinstanzliche OLG entscheidet.
Natürlich äußert sich aus dem Bankenbereich kaum jemand öffentlich, aber es ist doch so: Die Verbraucher wurden bei Vertragsabschluss so gut wie immer über ihr Widerrufsrecht informiert und wussten damals, dass ihnen ein Widerrufsrecht zusteht. Der Grund für den Widerruf heute ist nicht, dass sie damals schlecht beraten oder „über den Tisch gezogen“ wurden, sondern schlicht, dass durch den Widerruf die für den Verbraucher negative Zinsentwicklung von den Banken getragen werden soll. Eine derartige Risikoumverteilung ist zwar eigentlich nicht Intention des Widerrufsrechts, wird aber von Verbrauchern gerne mitgenommen, die sich in Bezug auf einige Rechtsfragen auf eine (teilweise äußerst) verbraucherfreundliche Rechtsprechung stützen. Andere Fragen sind dagegen bisher ungeklärt. So ist zum Beispiel fraglich, wie genau die Rückrechnung vorgenommen werden soll und wer zu welchen (Zins-) Zahlungen verpflichtet ist (ein in der Praxis hochumstrittenes Thema; die unteren Instanzen sehen zumindest teilweise den Verbraucher hinsichtlich des Nutzungsersatzes voll in der Beweispflicht mit der Folge, dass dieser ggf. zwar den Vertrag widerrufen kann, ihm finanziell im Ergebnis aber lediglich die Ersparnis der Vorfälligkeitsentschädigung bleibt, weil er nicht nachweisen kann, welche Nutzungen die Banken aus seinen Zahlungen gezogen haben. Je nach Klageantrag ist die Klage dann im Ergebnis möglicherweise ein Nullsummenspiel, weil die Anwaltskosten berücksichtigt werden müssen und die Klage ggf. teilweise abgewiesen wird). Fraglich ist auch, unter welchen Umständen und wie lange bereits abgewickelte Darlehensverträge widerrufen werden können. Auch hierzu gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Positionen mit Tendenz dazu, ein Widerrufsrecht eher anzuerkennen, desto näher der Widerruf an der Beendigung des Vertragsverhältnisses liegt. Liegt die Beendigung bereits mehrere Jahre zurück, wird es problematisch. Schließlich ist auch weitestgehend unklar, wie weit eine Widerrufsbelehrung von der jeweils geltenden Musterwiderrufsbelehrung abweichen darf. Dass eine Abweichung in jedem Fall unzulässig ist, wird von Verbraucheranwälten zwar gerne behauptet, ist in dieser Pauschalität aber nicht richtig bzw. spiegelt die Rechtsprechung nicht adäquat wider. Diese sieht Abweichungen zwar überwiegend kritisch, trotzdem hält nicht jedes OLG jede Abweichung für unzulässig.
Hinzu kommt, dass Verbraucherschutzanwälte und Verbraucherzentralen (natürlich) sehr viel verbraucherfreundlicher als Bankjuristen sind, damit aber nicht unbedingt die Linie der Rechtsprechung treffen. In Anwaltsschreiben endet das regelmäßig damit, dass „eindeutigfehlerhafte Punkte“, die „klar zur Widerrufbarkeit des Vertrags führen“, in den mündlichen Verhandlungen vom Gericht beiseite gewischt werden und nur auf die wirklich problematischen Punkte Bezug genommen wird. Vieles, was Anwälte schreiben, sieht für den Mandanten schön aus und bläht das Schreiben auf, ist aber letztendlich rechtlich völlig irrelevant (wobei ich zugeben muss, dass natürlich auch Bankjuristen Nebelkerzen werfen. Mit dem Unterschied: Auf Bankseite wissen normalerweise alle maßgeblichen Personen, womit sie möglicherweise durchkommen könnten und was Unsinn bzw. rechtlich sehr gewagt ist, während der Verbraucher regelmäßig überhaupt keine Ahnung hat).
Insofern: Eine Klage kann erfolgversprechend sein. Die Rechtsprechung ist derzeit relativ verbraucherfreundlich, auch wenn sie nicht jeden Unsinn von Verbraucherschützern mitmacht. Im Ergebnis hängt es aber vom Gericht, der verwendeten Widerrufsbelehrung und weiteren Umständen ab, ob eine Klage sinnvoll ist. Ein kompetenter Rechtsanwalt sollte seine Mandanten entsprechend aufklären und auch darlegen, dass eine Klage natürlich immer auch ein gewisses Risiko in sich birgt.
Und zum Ende eine kleine Anekdote: Ein befreundeter Verbraucheranwalt hat seine Beziehung zu Mandanten mal folgendermaßen beschrieben: „Meine Mandanten sind zu 80% Vollidioten, die die Materie nichtverstehen, die aber wissen, dass Banken böse sind und Unrecht haben. Die mussich dann erstmal runterbringen. Die anderen 20% haben zwar Hemmungen, weil sie nicht ganz nachvollziehen können, warum sie widerrufen können sollten, nehmen den Widerruf aber ganz pragmatisch mit, weil es um viel Geld geht. Und für uns ist es ein sehr lukratives Geschäft, weil es um Standardfälle mit hohem Streitwert geht und wir dem Mandanten ohne Probleme jedes Ergebnis verkaufen können.“. Dass es sich (im Verhältnis zum Aufwand) um relativ lukrative Mandate handelt, kann ich für Bankenanwälte bestätigen. Zumindest dann, wenn die Verfahren auf Masse betrieben werden und man mehrere Mandate für gleichlautende Widerrufsbelehrungen erhält.