Hallo,
auch wenn ich nicht unmittelbar betroffen ist, weil mein Uralt-Bausparvertrag noch lange nicht zuteilungsreif ist, bedauere ich natürlich das heutige BGH-Urteil und kann die hier verbreitete allgemeine Enttäuschung verstehen.
Manche Äußerungen allerdings nicht.
forenteilnehmer: Die OLG-Stuttgart-Urteile, die Gegenstand des heutigen Revisionsurteils waren, datieren vom 30. März 2016 - das ist knapp ein Jahr her. Die gesamte Rechtsfrage, die heute für uns Bausparer leider nagativ entschieden wurde, ist nach meinem Kenntnisstand etwa 2 1/2 Jahre "alt" (dieser Thread existiert seit dem 29. Dezember 2014!) (ich habe das jetzt nicht genauer recherchiert und hoffe, dass ich mich zeitlich nicht sehr irre) - aber das ist für die Klärung einer neuen Rechtsfrage von der ersten bis zur letzten Instanz eher ein positiver Rekord als ein Anlass zu Kritik á la "die Mühlen der Justiz mahlen langsam".
Was meinen Sie mit "so einer primitiven Begründung"? - Viel Begründung ist der Pressemitteilung - das haben Pressemitteilungen so an sich - in der Tat nicht zu entnehmen. Die komplette Urteilsbegründung bleibt abzuwarten und kann noch allerlei Anlass zu weiteren Diskussionen (einschl. Kritik am Urteil) geben. Aber: Der BGH hat uns Bausparvertragsinhabern (und auch den Bausparkassen) ins Stammbuch geschrieben, wozu ein Bausparvertrag nach dem Gesetz über Bausparkassen eigentlich gedacht ist: Man spart Geld an, um einen Rechtsanspruch auf einen Kredit zur Verwirkichung eines wohnungswirtschaftlichen Vorhabens zu erhalten. (Punkt!!!) - So einfach ist das.
Das in den Kündigungsschreiben der Bausparkassen zu lesen, klang (und klingt) angesichts der bekannten Werbung der Bausparkassen in den 90er Jahren (und vielleicht auch noch Anfang des Jahrtausends) natürlich ganz stark nach Hohn - ist aber leider nicht falsch. Bausparkassen, die Bausparverträge an Kunden verkauft haben, obwohl diese nie ein Baudarlehen wollten, haben diesen den betreffenden Verträgen zu Grunde liegenden rechtlichen Grundgedanken nicht eingehalten. Menschen, die einen Bausparvertrag abgeschlossen haben, aber nie ein Baudarlehen wollten, haben sich von vornherein genau so wenig an den Grundgedanken des Bausparvertrags gehalten. (Menschen, die erst im Laufe der Zeit von ihrem anfänglichen Vorhaben, ein Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen, Abstand genommen haben, haben sich im Sinne dieses gedanklichen Bildes im Laufe der Zeit von dem ihrem Bausparvertrag zu Grunde liegenden Vertragszweck abgewandt.)
Fragen zum Nachdenken: Wer ist in dieser Konstellation der "Böse", wer ist der "Gute"? Können zwei Vertragsparteien, die nicht (mehr) beabsichtigen, den gesetzlichen Vertragszweck zu erfüllen, realistisch voneinander erwarten, dass dass der jeweils andere Partner sich noch an den Vertrag hält? Wer hat in einer Konstellation, in der beide Vertragspartner nicht dem Vertragsgrundgedanken entsprechen, "Recht"? Mir scheint, dass der BGH schlicht und ergreifend gesagt hat "Wir wissen nicht, wer der "Gute" und wer der "Böse" ist, beide Vertragsparteien belügen uns, dass die Balken biegen, also tun wir einfach so, als seien beide die "Guten", die sich eigentlich an den Vertrag halten wollen, und sprechen schlicht Recht, indem wir der Seite, die auch zehn Jahre, nachdem erstmals die Möglichkeit dazu bestanden hätte, das Darlehen nicht in Anspruch genommen hat, erklären, dass die Sache für sie nun gelaufen ist, weil sie sich durch beharrliche Nicht-Inanspruchnahme nun offenkundig vom Vertragszweck abgewandt hat..." Hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 489 Abs. 1 Nr. 2 (bzw. Nr. 3 a. F.) BGB hat der BGH die offene Rechtsfrage beantwortet. Das war sein Job. Über das Ergebnis können wir uns ärgern, es ist aber weder "falsch" noch "richtig", es ist das nun rechtlich maßgebliche Ergebnis. Ich kann mich irgendwie des Eindrucks nicht erwehren, dass der eine oder andere Bausparer (mich eingeschlossen) seinen Bausparvertrag wegen der guten Zinsen, wegen der Wohnungsbauprämie und evtl. wegen der Arbeitnehmersparzulage abgeschlossen (und/oder fortgeführt) hat, ohne das Geld wohnungswirtschaftlich verwenden zu wollen und einen Kredit in Anspruch nehmen zu wollen (was nach früherer Rechtslage so uneingeschränkt zulässig, aber eben nicht "im Sinne des Erfinders" war) und insofern ein klein wenig selbst in dem berühmten Glashaus sitzt, wenn er sich nun wundert, dass die Bausparkassen das Spiel aus rein wirtschaftlichen Gründen nicht mehr mitspielen - mit Recht hat das alles nichts zu tun, ich hätte es uns trotzdem gegönnt . Nun haben wir uns halt verzockt ...
drogenfahnder: Was soll Ihre verhetzende Bemerkung? Die Rechtsprechung hat die Kündigung der Scala-Verträge für unrechtmäßig erklärt, sie fährt den Banken regelmäßig in Sachen "Rückabwicklung von Baudarlehensverträgen wegen falscher Widerrufsbelehrung" und in Sachen "Darlehensgebühren" in die Parade. Ich könnte zahlreiche weitere Beispiele aufführen, in denen die "kleinen" Vebraucher gegen "übermächtige" Banken etc. gewonnen haben - Sie könnten weitere Beipiele aufzählen, in denen die Verbraucher - wie hier und heute - verloren haben. Insgesamt bleibt: wer so einen Quatsch wie Sie hier verbreitet, ist ein Troll und sollte sich anderswo austoben.
@eagle_eye: Zugegeben: Ich habe oben ein "bisschen" fantasiert und Dinge in die noch nicht bekannte Urteilsbegründung hineingelegt, die aus der kurzen Pressemitteilung objektiv nicht herauslesbar sind, um deutlich zu machen, dass es "nicht ganz sauber" ist, einen Bausparvertrag abzuschließen (oder fortzuführen), wenn keine Absicht (mehr) besteht in angemessener Zeit ein Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen (auch wenn eben andererseits keine Verpflichtung besteht, das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen). Aber: Woraus schließen Sie, dass die von den Bausparkassen vorgetragenen wirtschaftlichen Gegebenheiten bei der Urteilsfindung tatsächlich eine Rolle gespielt haben - in Klage- und Klageerwiderungsschriften trägt jede Seite üblicherweise alles vor, was sie für relevant hält und überlässt es dem Gericht, das rechtlich Relevante herauszufiltern. Das hat also erst einmal nichts zu bedeuten - und ich hoffe sehr, dass die Richter auch tatsächlich nicht gerechnet, sondern Recht gesprochen haben - anderenfalls wäre das Urteil in der Tat höchst bedenklich - die komplette Urteilsbegründung bleibt abzuwarten.
Es grüßt in Erwartung eines mittleren Shitstorms
BSHKunde