Tatsächlich ist der Widerrufsjoker kein Selbstläufer für Verbraucher. In vielen Fällen kann man damit etliche Tausend Euro sparen. Wenn es aber um solchen Summen geht, muss man sich auch auf den Widerstand der Gegenseite gefasst machen. Lobbyismus und politische Einflussnahme spielen dabei eine große Rolle.
Zudem hat sich die Rechtsprechung der deutschen Gerichte gerade bei diesem Thema sehr wechselhaft und uneinheitlich entwickelt. Das führte zu der absurden Situation, dass teilweise identische Kreditverträge am gleichen Gericht unterschiedlich geurteilt wurden - je nachdem, wie der jeweilige Richter die Situation einschätzte (oder vielleicht auch je nachdem, wie gut er mit dem örtlichen Bankvorstand befreundet war).
Gerade bei den Sparkassen kann man das sehr anschaulich verfolgen. Da bei fast allen Sparkassen deutschlandweit einheitliche Vertragsformulare verwendet wurden, haben wir es dort mit einer großen Zahl von Fällen zu tun, die bei zahlreichen Gerichten in ganz Deutschland eingeklagt wurden. Dabei kam es zu vielen unterschiedlichen Urteilen, die manchmal pro Verbraucher und ein anderes Mal zugunsten der Bank ausfielen. Mit juristischer Stringenz und Logik hatte das zumeist wenig zu tun. Erst als der BGH nach einiger Zeit zu den wichtigsten Vertragsformularen geurteilt hatte, vereinheitlichte sich die Rechtsprechung auch in den unteren Instanzen.
Für die Sparkassen stellt sich somit folgendes Bild dar:
- Kredite aus dem Zeitraum 2002-2008: fehlerhaft und widerrufbar bis Juni 2016, BGH-Urteil liegt vor
- Kredite aus dem Zeitraum 2009-Mitte 2010: korrekt und nicht angreifbar, BGH-Beschluss liegt vor
- Kredite aus dem Zeitraum Mitte 2010 bis Mitte 2011: fehlerhaft und aktuell noch widerrufbar, BGH-Urteil liegt vor
- Kredite aus dem Zeitraum nach Mitte 2011: nicht endgültig geurteilt, aber eher nicht widerrufbar
Die Zeitangaben sind dabei nur als ungefähre Angabe zu verstehen, da die neuen Formulare von den Sparkassen nicht immer sofort eingesetzt worden sind und dadurch erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Banken entstanden sind.
Insofern kann es durchaus zu der Situation kommen, dass zum Zeitpunkt des Widerrufs ein Fall als aussichtsreich einzuschätzen war - und sich wenige Monate später das Bild gewandelt hatte. Das bedeutet nicht unbedingt, dass der Anwalt schlecht gearbeitet hat. Umso wichtiger ist es, sich von einem Anwalt oder einer Interessengemeinschaft vertreten zu lassen, der/die sich mit dem Thema intensiv beschäftigt und die Entwicklung aktuell verfolgt - und nicht nur nebenbei mal eben ein paar Kredit-Widerrufe macht.
Stand heute ist es so, dass sich der Nebel der unklaren Entscheidungen deutlich gelichtet hat. Man kann also in den meisten Fällen seriös einschätzen, ob der Widerruf aussichtsreich ist oder nicht (so wie ich das oben getan habe). Einfach mal nach "Widerrufsjoker - welche Fälle aussichtsreich" googeln und nach einem aktuellen Artikel suchen. Eine 100% Garantie gibt es dabei natürlich auch nicht. Aber ein erfahrener Partner sollte in der Lage sein, einen Betroffenen vor einem kompletten Reinfall zu bewahren.